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Jokers Morgen-Grauen, Teil 9

Letzte Woche war ich beim Skifahren am Arlberg, einem wunderschönen aber auch sauteuren Skigebiet, mit viel „Après-Ski“ und vielen feierlaunigen Reichen und Schönen aus aller Welt.

Kollege Z. wollte mir natürlich nicht glauben, dass ich um diese Feierei einen großen Bogen mache. Er lässt sich da von dümmlichen „Reportagen“ im Privat-TV wie „I love Sölden“ usw. beeinflussen. „Da geht doch was, gell, da geht doch was, höhöhö…“ sagte er und zwinkerte wild. Nun trinke ich im Skiurlaub abends ganz gern mal zwei, drei Bier, aber meist zwischen Après-Ski und Nightlife, also zwischen 20 Uhr und 23 Uhr, wenn nicht so viel los ist und ich meine Ruhe habe an der Theke. Die Bemerkung des Kollegen Z. hatte nun aber zur Folge, dass ich mich doch mal wieder ins Arlberg-Nachtleben stürzte. Ich trank meine zwei, drei Bier einfach etwas später. Und tatsächlich. Da geht was. Ich hatte ein skurriles Erlebnis nach dem anderen. Zwei Beispiele sollen das mal veranschaulichen.

Da sitze ich in meinem Stammlokal, nur eben später als sonst. Wo’s um neun noch ruhig und gemütlich ist, ist um zwölf die Hölle los. Als ich glaube, genug Nightlife gesehen zu haben und gehen will, stellt mir der Barkeeper zum Abschied noch einen Jägermeister hin. Kann man ja nicht ablehnen, also runter damit. Ist aber normal nicht so mein Fall, also lutsche ich, um den Geschmack zu neutralisieren, eine kleine, weiße Pfefferminz-Pastille. Da stellt mir der Barkeeper auch noch ein Stamperl Erdbeerlimes hin. Kann man ja nicht ablehnen, also runter damit. Ich setze das Stamperl grade an, da haut mir einer der wild Feiernden hinter mir freundschaftlich auf den Rücken und grölt mir irgendwas – wahrscheinlich was Russisches – ins Ohr.

Leider bin ich von der Freundschaftsbekundung sehr überrascht, weshalb ich den Erdbeerlimes vor mich auf die Theke pruste. Ich drehe mich zu dem Rückenklopfer um und blicke einem Mittdreißiger ins entsetzte Gesicht. Er beginnt irgendwas zu stammeln, seine Freundin neben ihm starrt ebenso entsetzt auf die Theke. Ich folge ihrem Blick und verstehe, was los ist. Auf der Theke liegt die kleine weiße Pfefferminz-Pastille inmitten der blutroten Limes-Soße. Der Rest des Erdbeerlimes ist in meinem Gesicht verteilt. Das russische Pärchen denkt, ich hätte mir aufgrund der Rückenklopferei am Limes-Glas einen Zahn ausgeschlagen. Meine Beteuerung, es sei nichts passiert, verstehen oder glauben sie nicht.

Ums kurz zu machen: Die beiden bestehen darauf, mich bis morgens um fünf mit Wodka abzufüllen. Am nächsten Tag bin ich aus verständlichen Gründen erst am späteren Nachmittag beim Skifahren. Wieder im Tal, komme ich an einer Schneebar vorbei, an der natürlich das Pärchen vom Vorabend steht. Ich werde eingefangen und dem russischen Freundeskreis als harter Hund vorgestellt, der sich auch von einem ausgeschlagen Zahn nicht vom Saufen abhalten lässt. Das macht anscheinend selbst bei trinkfesten Russen Eindruck. Ums nochmal kurz zu machen: Ich bin am nächsten Morgen in einem fremden Hotelzimmer mit einer ganzen Reisegruppe schlafender Schnapsleichen und einer unglaublichen Menge leerer Wodkaflaschen aufgewacht.

Beispiel zwei. Zwei Tage später wage ich mich wieder ins Nachtleben. Diesmal gehe ich in einen „Club“ (wir Älteren würden wohl Disco sagen), in dem ich schon öfter an der Theke saß, nur eben, wie gesagt, früher am Abend. Eine sehr junge, sehr hübsche Barkeeperin aus Schweden, mit der ich mich in dieser Saison ab und zu mal unschuldig unterhielt, reicht mir mit einem Lächeln das bestellte Bier und mit einem noch schöneren Lächeln einen Bierfilz. Auf dessen Rückseite steht der Name eines kleinen Hotels und eine Uhrzeit. Die schöne Schwedin ist wohl dort untergebracht und ich soll sie besuchen. Unglaublich, oder? Dass mir das passiert! Jubilier. Ich bin mit Anfang vierzig locker doppelt so alt wie sie…

Ja. Das bedeutet aber auch: Ich rechne nicht mit sowas und habe keine Ahnung, dass auf dem Bierfilz irgendwas steht. Ich stelle da mein Bier drauf, ohne auf die Rückseite zu schauen. Dann bestelle ich noch ein Bier und stelle das ebenfalls drauf. Nach einem weiteren Bier zahle ich und gehe. Und lasse den Bierfilz natürlich liegen… Am nächsten Tag suche ich den Club abermals auf. Von nett lächelnden Barkeeperinnen lässt man sich ja gern ein Bier zapfen. Leider lächelt sie mich nicht mehr an. Sie zapft mir auch kein Bier, sondern wendet sich demonstrativ von mir ab. Zur Erinnerung: Von der Bierfilz-Aktion weiß ich da noch nichts. Ich schaue daher derart dämlich aus der Wäsche, dass eine andere Barkeeperin meine Unwissenheit bemerkt und mich aufklärt.

Also, das war so: Nachdem ich am Abend zuvor gegangen war und den Bierfilz liegen ließ, hat den ein stark alkoholisierter Engländer gefunden. DER hat die Nachricht darauf natürlich entdeckt, vielleicht kannte er diese Art der Kommunikation schon. Und so kam es, dass der Engländer und ein halbes Dutzend seiner Freunde sich mitten in der Nacht vor dem kleinen Hotel einfanden, in dem die schwedische Barkeeperin wohnt, wobei sie nicht gerade leise waren. Nun ziehen sich betrunkene Engländer ganz gern mal aus. Auch im Winter. Als um halb fünf die wegen Ruhestörung gerufene Polizei anrückt, tanzten sieben volltrunkene, splitternackte Engländer laut grölend vor dem Hotel auf und ab. Das muss ein Anblick gewesen sein. Sie zeigten den Beamten den bewussten Bierfilz und dadurch wurde die ganze Affäre publik. Ich habe mich bei der Schwedin entschuldigt, obwohl ich meiner Meinung nach nichts für die Sache kann. Aber ich will ja mal wieder bei ihr an der Theke ein Bier trinken.

Mir ist vollkommen bewusst, dass ich auf einem Bierfilz nie wieder eine solche Nachricht von einer schönen Barkeeperin finden werde, denn soviel Glück hat man über vierzig nur ein Mal. Ebenso klar ist aber, dass ich bis ans Ende meines Lebens jeden Bierfilz, den mir eine schöne Barkeeperin reicht, umdrehen und ganz genau anschauen werde…

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