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Ein Tabuthema

Mit manchen Büchern ist es wie mit Männern“, sagte neulich meine Freundin Susanne. „Sie sehen gut aus, doch wenn man sich dann mit ihnen beschäftigt, sind sie eine einzige Enttäuschung.“

Susanne hatte gerade „Mängelexemplar“ von Sarah Kuttner gelesen und war wütend. Aus persönlicher Affinität zum Thema hatte sie sich das Buch gekauft, in dem die Ex-MTV-Moderatorin Depressionen thematisiert. „Ich bin völlig vorurteilsfrei rangegangen, ohne zu beachten, dass es sich um das Erstlingswerk einer bis dahin literarisch unbeleckten Moderatorin handelte. Auch bissige Vorwürfe, Kuttner würde sich damit nur an den Erfolg ihrer Zeitgenossin Charlotte Roche mit „Feuchtgebiete“ hängen, habe ich gutwillig ignoriert.“

Susanne selbst leidet seit ihrer Jugend unter gelegentlichen depressiven Schüben. Ihren Alltag meistert sie dennoch ohne Schwierigkeiten. Doch das Thema beschäftigt sie immer wieder. Umso heftiger fiel ihre Reaktion auf „Mängelexemplar“ aus.

Meiner Meinung nach sind die Darsteller völlig eindimensional gestaltet. Die inhaltlichen Zusammenhänge werden überhaupt nicht aufgearbeitet. Und die Protagonistin ist eine verzogene Göre, die zwar ihren Job verloren hat. Aber ansonsten besitzt sie alles, was den meisten Depressiven in Wirklichkeit fehlt. Sie hat eine liebende Mutter, die sie fürsorglich pflegt, eine sichere Heimat und Freunde, die sich für sie aufopfern. Auch das gesellschaftliche Unverständnis gegenüber Menschen, die aus psychischen Gründen mal nicht so funktionieren, wie sie sollten, wird völlig ausgeklammert. Der einzige Pluspunkt des Buches ist, dass es ein Tabuthema aufgreift und darstellt, wie manche Menschen unter der Leistungsgesellschaft leiden. Doch das scheint mir schon alles.“

(geschrieben von Matthias Stöbener) 

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