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Der Bär ist los…

Ob er eine Bereicherung ist oder eine Plage, darüber streiten sich die Geister. Die einen freuen sich über den bärigen Neubürger, die anderen sehen die heimische Tierwelt bedroht und den lieben Frieden sowieso. Denn der Waschbär ist nicht nur niedlich, er hat es faustdick hinter den Pelzohren. Als Allesfresser und Kletterer und dazu ausgestattet mit einer großen Cleverness plündert er alles, was nicht niet- und nagelfest ist und bedient sich an Obstbäumen ebenso wie an Mülltonnen und im Hühnerstall. Darüber hinaus nistet er sich gerne in Dachböden ein und baut sich gemütliche Nester mit Dämmmaterial. Aufgrund dieser Tatsachen gilt der kleine Maskenbär als ausgesprochener Lästling.

Ursprünglich kam der Bär, der eigentlich gar keiner ist, aus Nordamerika, wo er bevorzugt in gewässerreichen Gebieten lebt. Dort geht er seiner Passion nach, die ihm hierzulande den Namen »Waschbär« einbrachte: Er lässt seine Pfoten durchs Wasser gleiten, als würde er etwas säubern. In Wirklichkeit sucht er nach Nahrung. Waschbären in Gefangenschaft zeigen dieses Verhalten noch krasser und tauchen ihre Nahrung aus den gut gefüllten Näpfen in ihren Wassernapf. Dies ist nichts anderes als eine Leerlaufhandlung, die die Nahrungssuche im kühlen Nass imitiert.

Im Englischen wird der Waschbär als »raccoon« bezeichnet, was sich aus der Sprache der nordamerikanischen Algonkin-Indianer ableitet und »der mit seinen Händen reibt« bedeutet. In der indianischen Mythologie wurden dem Tierchen magische Fähigkeiten zugesprochen. In Erzählungen vieler Indianerstämme spielt er die Rolle des schlauen Tricksers und Täuschers, ähnlich unserem Reineke Fuchs.

Als Neozoon (»neues Lebewesen«) betrat der ursprünglich in Nordamerika heimische Waschbär um 1920 deutschen Boden: als Pelzlieferant. Damen und Herren trugen bis weit in die 1970er Jahre Kappen aus dem weichen Langhaarfell, was immer ein bisschen an
Lederstrumpfs Kopfbedeckungen erinnerte. Mitte der 1930er Jahre machte sich der Bär auf die Socken und eroberte Europa. Aus den Pelzfarmen waren einige Bärchen ausgebrochen. Parallel dazu startete in Hessen ein Experiment: Man setzte zwei Waschbärenpaare zur Bereicherung des Lebensraumes aus, mit durchschlagendem Erfolg.

Heute zählen die kleinen Bären mit der großen Maske zu den erfolgreichsten tierischen Immigranten. Vielerorts haben sie sich als Kulturfolger in den Städten angesiedelt und gelten in Kassel und Berlin bereits als Plage. Wer nachts polternd den Müll durchwühlt und Geflügel klaut, macht sich nun mal keine Freunde. Erschwerend kommt hinzu, dass die maskierten Bären äußerst geschickt sind und sich nicht von Türriegeln abhalten lassen. Da muss man schon die höhere Kunst der Absperrung beherrschen, um Herrn und Frau Waschbär von seinen Schätzen fernzuhalten.

Im Übrigen handelt es sich bei dem Waschbären (Procyon lotor) keineswegs um einen zoologisch »echten« Bären, vielmehr gehört er zu den »Hundeartigen« und der Familie der Kleinbären. Bei seiner Entdeckung durch eine Expedition Christoph Kolumbus im 15. Jahrhundert war das allerdings noch anders. Da zählte man den kleinen Draufgänger durchaus noch zu den Bären. 300 Jahre lang blieb das so, bis bei einer Neuordnung der Einteilung der Arten der Waschbär schließlich hundeartig wurde.

Ein filmisches Denkmal wurde dem Waschbären bei Walt Disney gesetzt: die chronisch kleptomanische Panzerknackerbande ähnelt schwer dem Bären mit der Maske.

Wer mehr wissen möchte über den nervigen, aber durchaus auch charmanten Neubürger, findet hier Lesestoff:

* Buch Waschbären
* Buch Der Waschbär

Autorin: Petra Anne-Marie Kollmannsberger
Bildquelle: I. Friedrich / pixelio.de

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