Ein Kind ist wie ein von Natur aus grausamer Giftzwerg.« (Michel Houellebecq)
Ja, sicher. Sie können wirklich süß sein. Und man ist jeden Tag wieder aufs Neue entzückt, wenn sie einen anlächeln und mit einer bislang ungezeigten Geste oder gar einem ganzen Satz beweisen: Hey, ich bin auch ein Mensch! Aber auf die Frage, ob ich Kinder möchte, habe ich über 35 Jahre meines Lebens immer nur geantwortet: Muss nicht sein. Vielleicht – später … Ich hatte meine Gründe.
Gute Gründe:
1. Kinder kosten viel Geld, Zeit und Nerven.
2. Die Erde ist mit Menschen überbevölkert.
3. Die nächste Naturkatastrophe / der nächste Krieg / die nächste Finanzkrise kommt bestimmt.
4. Ich muss für meine Rente vorsorgen – sprich einem Vollzeitjob nachgehen.
5. Gemütliche Abende und interessante Gespräche mit Freunden sind mit Kindern ein Ding der Unmöglichkeit.
6. Ich bin Langschläferin.
7. Ich liebe Stille und Harmonie.
8. Ich habe schon genug Hobbys – und will sie auch behalten.
9. Spontane Kino- und Kneipenbesuche wären passé.
10. Ich müsste mich immer vorbildlich verhalten.
11. Wenn ich eins nicht leiden kann, dann sind es klebrige Hinterlassenschaften auf sämtlichem Wohnungsinterieur.
12. Unordnung macht mich kribbelig.
13. Ich hab keine Lust auf ungelöste Mathe- und
Physikaufgaben.
14. Ich will noch viel von der Welt sehen – auch die eher entlegenen Ecken.
15. Ich brauche viel Raum.
16. Kochen ist nicht gerade meine Stärke.
17. Hausarbeit ist lästig.
18. Ich will nicht abhängig sein.
19. Zu meinen Nachkommen zählen elf Neffen und Nichten der Fortbestand des Familienstammbaums ist also gesichert …
Spätestens nach zwei Stunden verweise ich jedes Kind wieder gerne an seine Eltern. Das ist auch jetzt noch so. Blöd nur, wenn der andere Elternteil gerade abwesend ist oder »leider überhaupt keine Zeit« hat. Jetzt bin ich nämlich selber Mama. Ist halt passiert. Schuld war wohl der Druck der biologischen Uhr – oder die Hormone – oder die Sehnsucht nach der großen Familienidylle – oder die Unvernunft. Wie auch immer – jetzt sind sie da, die Kids. Und was »ich will / wünsche / liebe …« ist inzwischen völlig sekundär.
Ob ichs bereue? Fast täglich. Immer dann, wenn ich mal wieder zu spät komme, weil der Nachwuchs gerade seine Trotzphase auf einen neuen Höhepunkt zustreben lässt. »Grenzen testen« nennt sich das harmlos im Pädagogendeutsch. Konkret heißt das: schreien in Lautstärke eines Presslufthammers, schlagen und treten mit der Kraft eines semiprofessionellen Kickboxers, sich winden wie ein geölter Schlangenmensch. Oder auch
ganz unemanzenhaft, aber umso eigensinniger auf das rosa Rüschenkleid und die neuen Sandalen zu bestehen, obwohl es gerade eiskalte Bindfäden vom Himmel regnet.
Ob ichs gerne anders hätte? Ja! Ein weitläufiges Haus
mit schalldichten Räumen, einer Haushaltshilfe, einer Köchin (oder einem Koch) und mindestens einem stets gut gelaunten Kindermädchen, das Zeit und Nerven für alle Eskapaden dieser Welt hat. Dann könnte ich tatsächlich aus vollster Überzeugung sagen: Ich liebe Kinder! Ich bin gerne Mutter!
Literatur:
* Corinne Maier: No Kid. 40 Gründe, keine Kinder zu haben, Rowohlt Taschenbuch Verlag
* No Kid, original französische Ausgabe
Autorin: Anne Eichmann