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Kreativ unten

Anlässlich meiner silbernen Konfirmation traf ich vor ein paar Wochen Freunde aus meiner Jugend, von denen ich einige tatsächlich 25 Jahre lang nicht mehr gesehen hatte. Natürlich kam die Frage: »Und was machst du so?« Antwort: »Ich bin Texter.« Reaktion: »Aha.«

547345_web_R_K_B_by_Wilhelmine Wulff_pixelio.de.jpgSolche Reaktionen sind allerdings die Ausnahme. Es gibt da einen deutlichen Stadt-Land-Unterschied. Werbung ist für die Landmaus eben einfach keine richtige Arbeit und damit nicht interessant. Wenn man aber der Stadtmaus nur andeutet, irgendwas mit Werbung zu tun zu haben, kriegt sie große Augen und fragt nach: »Echt? Da muss man ja unheimlich kreativ sein, oder? Welche Promis hast du denn schon getroffen?«

Aufgrund einer völlig falschen Darstellung in diversen »Daily Soaps« verbindet die Stadtmaus mit »Arbeit in der Werbung« sofort »Glamour«. Ist natürlich Krampf. Auch das mit der Kreativität ist so ne Sache. Natürlich müssen Texter oder Grafiker kreativ sein. Doch der größte Teil der Arbeit ist eben einfach Arbeit. Das wissen leider viele Leute nicht. Oft auch nicht jene, die in der Werbung arbeiten wollen. Die denken, sie müssten einen potentiellen Arbeitgeber nur von ihrer Kreativität überzeugen (von der sie selbst absolut überzeugt sind), und dann ginge alles wie von selbst…

Also legt ein Werbetexter oder -grafiker in spe seiner Bewerbung schon mal ein rohes Steak bei. Die Werbeagentur brauche Frischfleisch, will er sagen. Verstanden wirds wohl eher als Bitte, in die Pfanne gehauen zu werden. Aber wenn das Teil im Hochsommer zwei Tage unterwegs ist, kann ja der Chor der Maden solche Unklarheiten beseitigen: in Versen.

Was ein Bewerbungsschreiben auf einer Klobrille aussagen soll, ist schon weniger klar. Dass die alte Werber-Generation besser abtritt? Oder ist es eine Anspülung auf die Schüssel zum Erfolg? Ein anderer Aspirant schickte an die Werbeagentur seiner Träume sogar eine Unterhose mit gelben Flecken, um die Farbe des Agentur-Logos zu symbolisieren!

In der Werbe-Praxis kommen von solchen Leuten dann kreatiefe Abgründe wie »Ich bin doch nicht blöd!« Hauptsache aggressiv. Ach, waren das Zeiten, als uns der Persil-Mann einen guten Abend wünschte. Da wussten wir, was wir hatten. Heute würde er blöken: »Sie sind doch nicht ganz sauber!«

Autor: Gerald Wunder
Bildquelle: Wilhelmine Wulff / pixelio.de 

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