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Schultze auf der Suche nach dem Blues und dem Glück

Ein Mann wie ein Berg: Schultze (Horst Krause) ist groß und breit, steht wie ein Fels in der Brandung. An ihm prallt die Unbill des Lebens einfach ab, könnte man meinen. Doch so einfach ist es nicht. Schultze hat das Leben arg gebeutelt: als Bergarbeiterkumpel vorzeitig in den Ruhestand versetzt, ein einsamer Wolf ohne Familie und gesund ist er auch nicht. Mit seinen Kumpels, ebenfalls Vorruheständler, stellt er die personifizierte Trostlosigkeit dar. Ein Leben im tristen anhaltinischen Ort Teutschenthal zwischen Kneipe, Schrebergarten, Angeln und dem Volksmusikverein.


425436_original_R_K_by_Michael Hirschka_pixelio.de.jpgSeine Liebe zur Musik ist es schließlich, die ihn ausbrechen lässt aus diesem trostlosen Dasein. Von der traditionellen Polka, die er gewöhnlich seinem Akkordeon entlockt, findet er zum Zydeco, dem wilden, ungezügelten Südstaaten-Sound aus Louisiana. Die für ihn völlig neuartige Musik lässt ihn aufbrechen, innerlich; und äußerlich, nämlich in die USA. Für einen wie ihn geradezu tollkühn, macht er sich auf eine Reise in den tiefen Süden der USA, immer auf der Suche nach »seinem« Lied, einem Zydeco-Song, den er in einer schlaflosen Nacht im Radio hörte. Sofort war er elektrisiert.


Schultze, der Mann ohne Vornamen, lernt bei seinem Trip nicht nur faszinierende Menschen und andersartige Musik kennen, er entdeckt auch Seiten an sich, von denen er nichts geahnt hatte, wenn er sich beispielsweise kurzerhand ein Boot »organisiert« und damit den Mississippi hinunterschippert. Schließlich findet er nicht nur »sein« Lied, sondern auch eine Frau und letztendlich seinen Frieden.


Weit entfernt von jeglichem Selbstfindungskitsch schildert »Schultze gets the Blues« den Auf- und Ausbruch eines Mannes aus dem Sumpf aus Langeweile, Perspektivlosigkeit und Einsamkeit. Wohltuend wortkarg siedelt Horst Krause (geb. 1941) seinen Schultze an zwischen bodenständiger Schwere und anarchischer Fröhlichkeit. Ein wunderbar langsamer, lakonischer Film unter der Regie von Michael Schorr aus dem Jahr 2003, gedreht an Originalschauplätzen in Sachsen-Anhalt, Texas und Louisiana. Geschickt mischt Schorr, der ursprünglich aus der Dokumentarfilmerei stammt, Fiktion und Realität, bezieht die Menschen aus den Regionen in Deutschland und den USA mit ein und lässt Laien neben Profis auftreten. Sein brillant-skurriles Roadmovie ist auch ein spannender Ritt durch archaische Musik-Folklore: von erdenschwerer deutscher Polka und Blasmusik über alpin-amerikanisches Jodeln und tschechischen Band-Sound bis hin zum ausgelassenen Cajun und Zydeco.


Unbedingt anschauen und mitreißen lassen!


DVD "Schultze gets the Blues" bei Jokers



Geschrieben von Petra Anne-Marie Kollmannsberger


Bild: Saxophon © Michael Hirschka/www.pixelio.de

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