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Selbstgewählte Einsamkeit

Zufällig hörte ich neulich im Fernsehen ein paar Zeilen von Emily Dickinson (1830 bis 1886):

„Da ist ein Licht,
das schräg sich neigt
an Wintertagen,
schwer wie das Gewicht
von kathedralen Klängen.
Und wenn es kommt,
hört alle Landschaft zu.
Schatten halten den Atem an,
wenn es vergeht.“

In diesen Tagen, in denen der Hochnebel wie über den Dächern festgefroren wirkt, die Vögel frierend in den Bäumen kauern und von Frühlingserwachen weit und breit keine Spur ist, trifft sie den Nagel auf den Kopf. Jedes Mal, wenn ich über die amerikanische Schriftstellerin nachdenke, die seit ihrem 20. Lebensjahr das Leben einer menschenscheuen Einsiedlerin führte, staune ich. Denn obwohl sie kaum Kontakt zu Menschen pflegte und ihr Zimmer bis zum frühen Tod mit 56 Jahren kaum verließ, schuf Dickinson ein mannigfaltiges Gedankenwerk, das noch heute seinesgleichen sucht: Nach ihrem Tod entdeckte man 40 handgebundene Bücher mit über 800 Gedichten von ihr.

Dieser Gedanke spendet mir immer wieder Trost, wenn ich denke, noch nicht genug von der Welt gesehen zu haben. Denn genau dagegen steht Emily Dickinsons legendärer und wunderschöner Satz: „To make a prairie it takes a clover and a bee, one clover, and a bee, and revery. The revery alone will do, if bees are few.”

(Geschrieben von Matthias Stöbener)

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