Suche
Close this search box.

Jokers Morgen-Grauen, Teil 11

Vor fast 20 Jahren wanderte ich nach Bayern aus. Bayern kannte ich schon vom Oktoberfest her und da ich jung und unternehmungslustig war, schien mir dieses feierfreudige Land ideal. Ja, an oidn Schoaß! Die Bayern hatten nämlich sonderbare Traditionen, die für junge Unternehmungslust gar nicht förderlich waren: Sperrstunde und stille Feiertage.

Ja, es ist noch gar nicht so lange her, da schlossen in einer Studentenstadt wie Augsburg, drittgrößte Stadt Bayerns, sämtliche Kneipen um ein Uhr. Nur ein paar wenige Lokalitäten konnten sich eine sogenannte Sperrzeitverkürzung leisten, denn die bekam erstens nicht jeder und zweitens war die Gebühr dafür recht knackig. Da musste man schon viele Biere zusätzlich verkaufen, um diese Ausgaben wieder reinzukriegen. Für normalgroße Kneipen lohnte sich das nicht. Heute gibt es die Sperrstunde nicht mehr, und ganz ehrlich, das ist gut so. Denn die Zahl der Lokale, die tatsächlich länger als ein Uhr offen haben, ist überschaubar geblieben, und die Nachtschwärmer haben trotzdem genügend Anlaufstellen.

Die stillen Feiertage allerdings kommen alle Jahre wieder. Nun gibt es in allen Bundesländern zumindest einen stillen Feiertag: den Karfreitag, und da gilt in allen Bundesländern dann auch das »Tanzverbot«, was aber meist recht locker gehandhabt wird. In Bayern aber gibt es ACHT stille Feiertage! ACHT! Plus Heilig Abend ab 14 Uhr. Und in Bayern heißt das tatsächlich auch: ganztägig »Tanzverbot«. Und in Bayern wird das tatsächlich auch durchgesetzt. Da kommt die Polizei, macht den Laden dicht und nimmt oft noch von den Kneipenhockern die Personalien auf.

Das Bayerische Staatsministerium des Inneren sagt dazu: »An stillen Tagen sind öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen, die nicht dem ernsten Charakter dieser Tage entsprechen, verboten.« Und am Karfreitag setzt man noch eins drauf: »Am Karfreitag ist jede Art von Musikdarbietung in Räumen mit Schankbetrieb ausnahmslos verboten.« Heißt: Auch zu Mozarts Requiem kann man sich in Bayern am Karfreitag nicht öffentlich volllaufen lassen.

Nun kann man diese Regelungen wunderbar auslegen. Also, am Karfreitag nicht, da ist die Formulierung sehr eindeutig. Aber an den anderen stillen Tagen ist der ernste Charakter Ansichtssache der örtlichen Ordnungsämter. Läuft am Volkstrauertag zum Beispiel in einer Kneipe »Knockin‘ on heavens door« von Bob Dylan, so kann das in Augsburg als »nicht dem ernsten Charakter des Tages entsprechend« gelten. Ebenfalls in Augsburg werden aber Veranstaltungen wie der »Presseball« an eben jenem Volkstrauertag genehmigt. Das sorgt regelmäßig für Unmut in der Bevölkerung, wenn man aber später die Bilder vom Presseball sieht, ist man vom traurigen Charakter der Veranstaltung restlos überzeugt.

Nun steht also wieder der Karfreitag vor der Tür, und nicht nur der, auch Gründonnerstag und Karsamstag sind stille Feiertage in Bayern. Ich persönlich habe mich an diese stillen Tage längst gewöhnt, wenn ich auch ab und zu noch nachfragen muss, wie still der einzelne Tag denn nun ist. Der Widerstand gegen die Tanzverbote hält sich sowieso sehr in Grenzen. Vielleicht ist es den Nachtschwärmern ganz recht, beispielsweise am Osterwochenende nicht der Versuchung ausgesetzt zu sein, vier Tage durchzufeiern. Andererseits… Ach, Schmarrn. Ruhe jetzt.

Diesen Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge