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Besessener Sammler

KempowskiSie haben sich überschlagen: Kein Feuilleton, das ihn nicht betrauert und gerühmt hat, den Schriftsteller Walter Kempowski, der jüngst mit 78 an Krebs gestorben ist. Selbst in seinen letzten Tagen hat er noch an einem neuen Buch geschrieben.

Beinahe unglaublich, was der Mann alles zu Papier gebracht hat: „Tadellöser & Wolff“, „Uns geht´s ja noch gold“, „Deutsche Chronik“, „Das Echolot“, „Alles umsonst“ … Allein das „Echolot“ ist mit seinem mehr als 9.000 Seiten ein Mammutwerk, bei dem ich mich gefragt habe, wie es jemand alleine schafft, ein solches Werk auf die Beine zu stellen.

„Das Echolot“ habe ich mir angetan. Als es erschien, wurde es überall so stark beworben, dass auch ich mich diesem Werk nicht entziehen konnte. Ich habe mich eingelesen und sogar zwei der Bände geschafft. Aber ehrlich: Die Lektüre des „Echolots“ hat mir den ganzen Kempowski verdorben. Ich habe selten ein so ermüdendes Werk gelesen. Irgendwann hatte ich es satt, die Briefe der Frontsoldaten an ihre Mütter, Väter, Geliebten zu lesen. Hat man ein paar gelesen, kennt man sie alle. Was soll ich 9.000 Seiten davon lesen? Nach den ersten 1.000 Seiten dachte ich immer noch, jetzt muss aber etwas Entscheidendes kommen – doch es kam nichts. Mein Voyeurismus war längst befriedigt.

Danach habe ich natürlich nie mehr ein Kempowski-Buch in die Hand genommen. Vielleicht ein Fehler. Denn laut Feuilletons soll er einer der meistgelesenen deutschen Autoren sein, die FAZ nennt ihn gar einen Jahrhundertschriftsteller, die TAZ erkennt einen Chronisten der deutschen Geschichte in ihm und die FR betitelt ihn gar als Archivar des babylonischen Chores. Vielleicht kommt ihm die FR damit am nächsten, jedenfalls habe ich es noch nicht geschafft, in Walter Kempowski in erster Linie den Dichter zu sehen. Für mich ist er nach dem „Echolot“ vor allem der besessene Sammler. Kempowski als Dichter harrt bei mir noch der Entdeckung. Wir von Jokers haben im Moment sogar ein Buch von ihm günstiger im Programm: Im Block. Darin erzählt er von seiner Gefängnishaft in Bautzen. Ob ich hier den Dichter in ihm entdecken kann? Ich weiß nicht.

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