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Book-Crossing

Letztens saß ich in der muffligen S-Bahn in München. Als ich endlich einen Sitzplatz ergatterte und dennoch immer noch eine halbe Stunde Fahrt vor mir hatte (ich wollte einen Bekannten vom Flughafen abholen), war mein Ärger groß: Ich hatte mein Buch vergessen, um mir die öde Fahrt zu versüßen. Was gibt es Langweiligeres als die öffentliche Verkehrsmittel ohne Lesestoff… Was ist eigentlich aus den Bücherzügen und -bussen geworden, die vor gar nicht allzu langer Zeit angekündigt wurden? Doch nur ein Marketing-Gag der Bahn?

Ich starrte wütend vor mich hin, als plötzlich ein roter Farbklecks meine Aufmerksamkeit erregte: Steckte doch, eingeklemmt zwischen Polster und Wand, ein abgegriffenes Taschenbüchlein in der Ritze! Ich schnappte es mir, es war ein englischer Titel von einem mir bis dato unbekannten Autor. Ich blätterte gleich mal drauf los, las einige der vergnüglichen Passagen schnell durch, schnupperte an dem vergilbten Papier. Und dann entdeckte ich gleich auf der ersten Seite einen Namen und den Herkunftsort: This book belonged to Susan Herwith, New Zealand, stand da handschriftlich hingekrakelt. Und darunter stand eine Nummer mit dem Hinweis: Bookcrossing.com Wow! Ich hielt ein echt weit gereistes Buch in meinen Händen, von Neuseeland aus hatte es einen Weg zu mir gefunden! Ich nahm es mit.

Zu Hause machte ich mich im Internet schlau: Bookcrossing ist ein weltweites Netz, in dem jeder seine gelesenen Bücher in die Freiheit der wilden Welt entlassen kann: Versehen mit einer Nummer, die die Rückverfolgung des Aufenthaltsorts des Buchs per Internet ermöglicht, schickt man seine Schmöker auf Reisen. Und beobachtet dann gespannt, wohin es die Lieblingsstücke verschlägt… In diesem Fall nach Deutschland, in eine Münchner U-Bahn. Natürlich meldete ich mich gleich als neuer Zwischen-Leser an.

Diese Idee hat etwas ganz Besonderes: Nicht nur, dass dies die beste Entsorgung der ausgedienten Bücher ist – auf diese Weise kann der stolze Vorbesitzer auch so manchen Weltenbummel erleben – zwar nur digital, aber immerhin… Étwas abgewandelt scheint der bekannte Songtext in meinen Ohren wiederzuhallen: "Will you still need me, will you still read me, when I´m 64?" Jetzt, meine lieben, alten Bücher, dürft ihr im Alter die ganze Welt erobern!

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