Das Jahr der Behinderten

      3 Kommentare zu Das Jahr der Behinderten

Wussten Sie, dass 2006 das Jahr der Behinderten ist?

2006 ist das Jahr der BehindertenViel ist im täglichen Leben davon leider nicht zu spüren. Meine Freunde jedenfalls erschütterten kürzlich mit einer kleinen Anekdote meinen Glau- ben an die Toleranz vieler Mitbürger: Sie haben einen geistig behinderten Sohn – vor wenigen Tagen feierte er Geburtstag, seinen 22. Sie luden die Behinderten-Werkstatt, in der er arbei- tet, in den Biergarten ein. Natürlich meldeten sie sich vorher beim Wirt an, klärten bereits 14 Tage zuvor den Speise- und Getränkeplan, wiesen darauf hin, dass es sich um eine Gruppe von 40 Behinderten handelt.

Zuerst war alles gar kein Problem – wochenlanges Regenwetter hatte dem Wirt das Geschäft versaut und er war froh über die Feier in seiner Gastsstätte. Doch dann entschied sich Petrus anders: Wir wurden endlich von der Sonne verwöhnt, und das Biergartengeschäft blühte richtig auf. Als meine Freunde dann drei Tage vor der Party nochmals dort anriefen, um letzte Details zu klären, wollte der Wirt sie kurzerhand wieder ausladen – die Feier könne nicht in seinem Biergarten stattfinden.

2006 ist das Jahr der BehindertenEs war natürlich unmöglich, so viele Menschen kurzfristig woan- ders unterzubringen, was der Wirt schließlich einsah. Er reservierte der Truppe den hinterletzten Tisch in dem großen Biergarten. Als die geselligen Gäste eintrafen, muss- ten sie über Stock und Stein, Treppen und Wurzeln steigen, um zu den Tischen zu gelangen. Auch die Bänke waren nicht vorbereitet, auf das Essen warteten sie über eine Stunde. Obwohl alles vorbestellt war. Was meine Freunde jedoch am meisten traf: Innerhalb einer halben Stunde war der Biergarten wie leergefegt – alle anderen Gäste hatten vor der lachenden und scherzenden Geburtstagsgesellschaft Reißaus genommen. Scheinbar konnten sie den Anblick so vieler behinderter Menschen auf einmal nicht verkraften.

Wo ist die Toleranz geblieben? Ist die Angst vor dem Unbekannten tatsächlich so groß? 2006: Wirklich das Jahr der Behinderten?

3 thoughts on “Das Jahr der Behinderten

  1. Mela

    Es wird nie ein Jahr der Behinderten sein, solange wie sie aus unserem Straßenbild, aus unseren Schulen, aus unseren Betrieben und ganz allgemein aus unserem Alltag herausgehalten werden.

    Selbst von Behinderten, die ja nichts für ihre Behinderung können, erwarten wir Anpassung und Unauffälligkeit, statt den eigentlich einfacheren Weg zu wählen und ihnen entgegenzukommen.

  2. Tomboy

    Wer nicht wach und gespannt ist, hat kein Interesse an seiner Umwelt. Es ist aber auch schwierig immer das richtige Maß für die eigene Courage und Anteilnahme zu finden. Allzu leicht nur blasen wir ins Horn unserer vermeintlichen Rechte und falschen Urteile statt wirklich freundlich, ein Versehen eines Mitmenschen zu akzeptieren. Wo wir helfen sollten, sehen wir häufig weg, wo wir richten können, mischen wir uns gerne ein. Das ist keine Toleranz. Auch vieles andere, was wir uns als Toleranz vormachen, ist sie nicht wirklich, sondern nur eine Haltung, der wir dieses Etikett anheften, ohne sie tatsächlich zu leben. Wir wählen christliche Parteien, sind Mitglied einer Kirche, lassen Ausländer bei uns wohnen und spenden irgendwo ab und zu etwas. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber zum Grundthema der Toleranz, der Brüderlichkeit, der Nächstenliebe oder dem Miteinander, ganz wie Sie es nennen wollen, haben wir keinen ehrlichen Bezug. Toleranz ist eine häufig vorgeschützte Vokabel gegen die Müdigkeit und Furcht vor der menschlichen Begegnung. Das wirkliche Verstehenwollen anderer Menschen zerfällt häufig unter unserer Selbstsucht und der Geschwindigkeit unseres Stadtlebens. Wer überhaupt nicht mehr hinsieht, ist keineswegs tolerant, er ignoriert nur, was ihn umgibt.

    Zitat aus Martin Fickinger „bistdufrei.de – Anleitung für die persönliche (R)Evolution“
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