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Die Habenichtse

 Ghetto.jpg»Die Habenichtse« das klingt wahrhaftig nicht nach einem Kompliment. Und das soll es auch nicht sein. Wenn Buchpreis-Gewinnerin Katharina Hacker mit der Generation der Mitt- und Enddreißiger abrechnet, dann wird deutlich, dass hier niemand gebauchpinselt wird. Im Gegenteil. Die Hauptpersonen des Romans, Isabelle und Jakob, sind ebenso rastlos wie ratlos, wenn es um die Gestaltung ihres eigenen Lebens geht. Sie sind gebildet, wohlhabend und doch nicht mit sich im reinen. Als frischverheiratetes Paar gehen sie nach London – Jakob ist Anwalt, Isabelle Grafikerin – und erwarten, dass sich dadurch viele Türen öffnen, sie das Leben irgendwie mitreißt. Stattdessen erleben sie merkwürdige Dinge in der fremden Nachbarschaft und fühlen immer stärkere Entfremdung statt mehr Nähe. Das Viertel, in dem das Paar lebt, ist kein schicker Stadtteil, sondern ein Ort, der etwas latent Gewalttätiges ausstrahlt. Aber selbst das lässt die Protagonisten seltsam unberührt. Manchmal möchte man die beiden am liebsten an den Schultern packen und rufen: »Aufwachen! Lebt doch endlich mal euer Leben, statt nur so distanziert herumzustehen!« Nein, diese emotionalen Habenichtse kommen bei Katharina Hacker nicht gut weg, an ihnen perlt alles ab, was sie tatsächlich berühren könnte.

Dass die beiden sich am 11. September 2001 nach einer früheren Verabredung wiedertreffen, ist hier ein geglückter Kunstgriff, denn bei dieser medial erlebten Katastrophe kann man so gut einen auf betroffen machen, ohne selbst wirklich involviert zu sein. Und genau diese Distanz in allen Lebenslagen passt zu Isabelle und Jakob als typische Vertreter ihrer Generation. Als Leser allerdings muss man damit klarkommen, dass einem die Hauptpersonen so gar nicht ans Herz wachsen wollen. Aber dafür bekommt man einen klugen, wachen, sprachlich ausgefeilten Roman, der am Puls der Zeit und absolut lesenswert ist.

Die Habenichtse zum Jokerspreis

Bild: Carsten Nadale / pixelio.de

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