
Bald stellte sich heraus, dass ich mich von den „subtilen Gruseleffekten“ hatte täuschen lassen. Die Geschichten waren gruseliger, als gedacht. Ich begann den Abend mit „Der Untergang des Hauses Usher“, was ich ja zuvor als Film gesehen hatte. Angenehme Schauer liefen über meinen Rücken und ich schlug „Die Maske des roten Todes“ auf. Ich staunte über die dichte, spannungsgeladene Atmosphäre, die Poe schuf. Dann war „Hopp Frosch“ dran. Vor allem die detaillierten Charakterstudien beeindruckten mich, das grässliche Ende weniger, es war einfach zu vorhersehbar.
Durch meine Textanalysen in Sicherheit gewogen, und überzeugt, keine unangenehmen Horrormomente mehr zu erleiden, schlug ich „Der Fall Waldemar“ auf. Ich hatte mich getäuscht! Die Geschichte packte mich sofort, der grausige Höhepunkt bereitete mir eine Gänsehaut wie schon lange nicht mehr. Und als ich beim Umblättern auch noch von einer detailgenauen Zeichnung des „Falls Waldemar“ überrascht wurde, standen mir die Haare zu Berge. Verunsichert legte ich das Buch weg. Und ließ die Nachtischlampe so lange brennen, bis meine Frau sie ausschaltete. Man sollte die Klassiker nicht unterschätzen.
(geschrieben von Matthias Stöbener)