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Eine Generationskluft

„Du merkst, dass du alt bist, wenn du die Jüngeren nicht mehr verstehst“, sagte meine Mutter immer. Lange lag das Sprichwort tief in meinen Erinnerungen vergraben. Doch neulich tauchte es in meinem Bewusstsein auf, taufrisch und umso dramatischer.

Ich führte Leon, den 7-jährigen Sohn einer Freundin, ein bisschen spazieren, damit seine Mutter in Ruhe zum Friseur gehen konnte. Wir machten einen kleinen Abstecher in meinen Lieblingsbuchladen. Natürlich wollte ich den Jungen gleich für Kinderbücher begeistern! Doch Leon interessierten sie nicht die Bohne. Er stürzte sich buchstäblich auf die Videospiele. Wie hypnotisiert starrte er auf den Bildschirm, auf dem ein kleines Männchen herumhüpfte, das Leon durch wildes Knöpfchen-Drücken und am Joystick-Zerren lenkte.

Videospiele„Na gut, dann lass ich ihn ein bisschen spielen, vielleicht muss er sich erst austoben und ist danach empfänglicher für Kinderbücher“, dachte ich mir und ließ ihn gewähren. Ich schlenderte zwischen die Regale und vertiefte mich selbst ins Buchangebot, stets Leon mit einem Auge im Blick behaltend. Nach einer halben Stunde versuchte ich ihn von der Konsole zu lösen, vergebens. Eine halbe Stunde später das gleiche Spiel. Der Junge schien an dem brummenden, blinkenden und dröhn- enden Ding wie festgeklebt. Doch Gott sei Dank kam mir die Natur zu Hilfe, als Leon Hunger bekam.

Als er laut schmatzend seinen Burger in sich stopfte, versuchte Leon mich mit den Vorzügen des neu entdeckten Videospiels bekannt zu machen und wollte mich dazu bringen, wieder an das Videospiel zurück zu gehen. Ich blieb eisern, denn mit solchen Spielen kann ich nicht viel anfangen. „Du merkst, dass du alt bist, wenn du die Jüngeren nicht mehr verstehst“, schoss es mir in dem Moment durch den Kopf. Vielleicht werde ich in der Tat langsam alt.

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