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Flaschenpost aus dem Chickenbus Teil 7:

Honduras, El Salvador, Guatemala


Eine wissenschaftlich hieb- und stichfeste Feldstudie unsererseits hat ergeben: Fragt man fünf randomisiert ausgewählte Probanden nach dem Weg, ergibt sich aus der Schnittmenge aller Angaben die richtige Richtung mit einer Abweichung Pi. Dabei lautete die mit Abstand am häufigsten genannte Antwort „dos quadras y a la derecha“ (nach zwei Blöcken rechts abbiegen), weshalb sie jetzt als synonyme Phrase für „ich habe zwar absolut keine Ahnung wovon du sprichst, aber weil ich dir wirklich helfen will, probiere ich trotzdem überzeugend zu antworten“ in unseren Sprachgebrauch Eingang gefunden hat.


Auf diese Art – und bewaffnet mit einem Lonely Planet in Ibro – navigierten Anat, Maxi und ich weiter nach Norden. Von Nicaraguas wenig kosmopolitischer Kompromiss-Kapitale Managua aus (Hauptstadt wurde Managua nur deshalb, weil die ewigen Konkurrenten Granada und Leon sich nicht einigen konnten; noch dazu hat ein Erdbeben in den 1970ern jeden unikaten Charme zerstört) chickenbusten wir zur eigenartig ausgestorbenen Grenze Guasaule. Formalitäten kein Problem, einmal Honduras durchquert, an der Grenze in El Salvador den letzten Bus verpasst, mit einer französischen Familie einen Pickup zum nächsten Ort geteilt, in San Miguel die ersten Pupusas verkostet, ins Bett gefallen. Da waren wir dann 15 Stunden unterwegs.


Weil die Pupusas (gefüllte Maisfladen) so lecker waren und außerdem keiner Lust auf eine weitere Chickenbus-Tortur hatte, verbrachten wir den nächsten Tag im reizlosen San Miguel, dessen größte Attraktion wir Touristen waren. Für die Einheimischen versteht sich. Warum sich sonst keine Gringos hierher verirrt hatten, wurde uns am zwar überfüllten, jedoch von gelb schäumenden Wellen umspülten Playa Cuco klar. Nichts wie weiter!


Der Busbahnhof von San Salvador war dann auch nicht gerade ein Ort, an dem man genießerisch verweilen möchte. Zwar klebte schon in San Miguel an jeder Kneipentür eine Litanei an Waffen-Verbotsschildern, doch hier sah man ebendiese sozusagen mit „vollem Lauf“ durch die Gegend spazieren. Das wiederum versetzte unsere tapfere Zinnsoldatin Anat in derartige Begeisterungsstürme, dass sie sich in ausgeklügelter Überrumpelungstaktik den erstbesten Soldaten krallte, um über Modell, Handlichkeit und Praktikabilität seines Schießinstruments zu fachsimpeln. Nur mit Engelszungen und vereinten Kräften konnten Maxi und ich sie in den nächsten Bus bugsieren. Und der brachte uns über Guatemala-Stadt geradewegs nach Antigua.


Welch unbeschreibliche Freude ergriff uns beim Anblick des ersten sonnenbebrillten Gringos: endlich wieder Touristen! Weil – das hatten wir inzwischen gelernt – wo keine Touristen sind, da heißt es Obacht geben und ästhetische Abstriche machen. An dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass ich diese ganzen „Wir recyceln Plastikmüll zu Schmuck oder was weiß ich“-Volunteer-Programme für einen Witz halte, solange die Straßen die einzig existierenden Mülleimer sind. Und nein, der Jutebeutel konnte hier die leidenschaftlich verwendete Plastiktüte noch nicht verdrängen. Wie dem auch sei, Antigua war jedenfalls ebenso bunt aufpoliert wie Maya-mäßig vermarktet und wartete vom Schokoladen-Herstellungskurs bis zum Guinnessbuch-Rekordversuch (Wie viele Personen passen in einen Chickenbus?) mit allen erdenklichen Vergnügungen auf.


Nach zwei Tagen hatten wir genug und unternahmen wieder einen unserer eigenen Chickenbus-Rekordversuche. Die waren nämlich trotz bleibender Schäden in den Lendenwirbeln immer ausgesprochen witzig: Erstens, weil man sich mit den Leuten, die sich über einem stapeln, so nett unterhalten kann, zweitens, weil man lautstark mit den aktuellen Sommerhits beschallt wird, drittens, weil man beim Umsteigen immer zu den besten Märkten kommt, viertens, weil es ständig neue Enchiladas und Säfte (Was ist eigentlich Tamarindo?) zu probieren gibt, fünftens weil man nirgendwo sonst plötzlich von kleinen Mädchen zu Tode gekitzelt wird, und sechstens, weil es alle möglichen Aufkleber im Stil „Powered by Jesus“ zu studieren gibt. Aus dieser Perspektive verbleibe ich mit  vorbeirauschenden Grüßen, Anja

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