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Handarbeit

Lektorarbeit„Was macht denn eigentlich ein Lektor?“, fragte mich jüngst eine Auszubildende, als Sie hörte, dass ich früher als Lektor bei verschiedenen Verlagen gearbei- tet habe.
„Lesen“, antwortete ich prompt.
„Na, das wäre ja ein schöner Beruf, den ganzen Tag lesen, traumhaft. Aber das kann es ja wohl nicht gewesen sein, oder?“ ließ die Auszubildende nicht locker. „Ja, klar. Einfach nur zu lesen, das wäre wirklich ein bisschen wenig, um damit sein Geld zu verdienen. Aber das Wort Lektor kommt vom Lateinischen Wort für Lesen. Und klar ist Lesen eine der Hauptbeschäftigungen eines Lektors. Denn über den Schreibtisch eines Lektors gehen alle Manuskripte, die an einen Verlag geschickt werden. Und eine der Aufgaben eines Lektors ist es zu beurteilen, ob ein Manuskript eine Chance auf dem Buchmarkt hat.“
„Kommen denn da viele Manuskripte?“
„Und ob! Ich könnte Bücher darüber schreiben, was alles an Manuskripten bei mir auf dem Tisch gelandet ist. Von der Reiseerzählung bis hin zum Kriegsroman. Je älter die Menschen werden, desto öfter setzen sie sich an den Computer und versuchen zu Papier zu bringen, was sie erlebt haben oder an die jüngere Generation weitergeben wollen.“
„Okay, dann haben sie so ein Manuskript gelesen und was dann?“
„Tja, meistens musste ich die Manuskripte wieder zurückschicken. Das haben wir immer getan, auch wenn dazu kein Verlag verpflichtet ist. Unverlangte Einsendungen müssen nicht zurückgeschickt werden. Aber ich habe dann meist noch eine kurze Begründung dazu geschrieben, warum ein Manuskript nicht angenommen wurde. Ohne natürlich zu sehr ins Detail zu gehen, das kann man sich als Lektor gar nicht leisten. Meist kamen ein bis zwei Manuskripte pro Tag auf meinen Tisch. Und das war ja nicht die einzige Arbeit.“
„Was denn noch?“ blieb die Auszubildende hartnäckig an mir dran.
Bleistift„Naja, hin und wieder habe ich ja auch ein Manuskript angenommen – und das musste dann bearbeitet werden. Deshalb kann auch nicht jeder, der gern liest, ein Lektor werden. Da muss man schon ein sicheres Sprachgefühl mitbringen, man muss wissen, wie literarische Texte aufgebaut sind, muss ver- suchen den Autor zu fördern, seine Texte noch besser zu machen, objektiv an das Werk ranzugehen. Ohne dem Buch aber den eigenen Stempel aufzudrücken. Denn das Buch ist ja von einem Autor geschrieben, der sich ausdrücken will. Lektoren, die es nicht aushalten, immer im Hintergrund zu stehen und anderen zu dienen, werden selbst irgendwann zu schreiben anfangen. Davon gibt es genug Beispiele.“
„Das klingt nicht einfach …“
„In der Tat. Und es ist noch nicht alles. Ein Lektor muss auch den Buchmarkt kennen und beurteilen können, ob ein Thema, ob ein bestimmtes Buch da überhaupt eine Chance hat oder in der Masse gleicher oder besserer Bücher zu dem Thema untergeht.“
Ich merkte, wie ich immer mehr ins Reden kam, mich freute, dass sich die Auszubildende für den Beruf interessierte, für das interessierte, was ich vor Jahren gemacht habe. Ich habe dann noch etwa eine halbe Stunde über den Beruf geplaudert. Dass der Lektor seine Beurteilung vor der Verlagskonferenz erläutern muss, erst dann entschieden wird, ob ein Vertrag mit dem Autor zustande kommt. Dass dann der Text mit dem Autor zusammen stimmig geschrieben wird, Fehler korrigiert und Fakten überprüft werden. Dass ein Satz erstellt, wieder korrigiert wird und noch viele Bearbeitungen nötig sind, bis das fertige Buch in den Buchhandlungen liegt.
Am Ende meine die Auszubildende nur: „Wow, dass das so viel Arbeit ist, bis ein Buch fertig ist, hätte ich nicht gedacht. Das ist ja richtig Handarbeit.“

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