Donna Leon: Flüchtiges Begehren –
Pünktlich zu unserem 25-Jahre Jokers Jubiläum feiern wir diesen Monat einen weiteren Geburtstag, nämlich den 30. Fall des berühmten Commissario Brunetti. Der von der US-amerikanisch-schweizerischen Schriftstellerin erdachte venezianische Ermittler stellt sich auch dieser Herausforderung, die ihren Vorgängern in nichts nachsteht.
Zum Thema nimmt sich der 2021 erschienene Krimi einen Unfall, an dem zwei amerikanische Touristinnen und auch Einheimische beteiligt sind. Brunetti beginnt mit seinen Ermittlungen, nachdem man die beiden Amerikanerinnen eines morgens bewusstlos auf dem Steg des Ospedale findet. Seltsam erscheint, warum niemand, bei einem doch recht harmlos wirkenden Vorfall, die Polizei oder Rettungskräfte alarmiert. Jedoch bleibt dies nicht die einzige Unstimmigkeit und es tun sich Abgründe auf, in die sich selbst die gefürchtete Mafia nicht vorzudringen wagt.
Man könnte denken, nach 30 Veröffentlichungen über einen Kommissar, der in seiner geliebten Heimatstadt Venedig ermittelt, wäre der Vorrat an neuen Ideen und Wendungen langsam erschöpft. Nicht aber bei Donna Leon. Auf die Frage, ob sie nicht in Erwägung ziehe, den Commissario bald in seinen wohlverdienten Ruhestand zu schicken antwortet sie, es gäbe noch so viel zu erzählen und das Schreiben würde auch nach fast 30 Jahren immer noch viel Spaß machen. Und das merkt man auch beim Lesen.
Besonders gelungen ist nicht nur die Ermittlung, die in Spannung und Authentizität kaum zu überbieten ist sondern vor allem die Beschreibung der Orte, die Brunetti während seiner Investigation aufsucht. Gerade, wenn man bereits ein paar Tage in Venedig verbracht hat, erwachen die Erinnerungen beim Lesen der Bücher erneut zum Leben. Man kann die Gondeln, den Markusplatz, den Dogenpalast und das Meer deutlich vor dem inneren Auge erkennen und verliert sich schnell in den kleinen Gässchen der einmaligen Kulisse.
Auch alltägliche Schwierigkeiten mit denen Einheimische zu kämpfen haben, finden in Leons Büchern Platz. Wussten Sie z.B., dass es in Venedig kaum noch Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf gibt? Die Stadt wurde mittlerweile so sehr auf Tourismus ausgelegt, dass es schwer fällt, dort ein normales Leben zu führen.
All diese Aspekte tragen dazu bei, den Krimis einen realistischen Touch zu verleihen, der sie so lesenswert macht.
