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Jokers Morgen-Grauen, Teil 15

Prospekte, Postwurfsendungen, kostenlose Werbezeitungen etc. sind für die meisten Menschen ja ein Gräuel. Als Texter allerdings liest man diese Werbung aufmerksam durch. nettetoilette_klein
Schließlich will man wissen, was die Kollegen so fabrizieren, gute Ideen können ja sehr inspirierend sein. Man stößt aber auch gern mal auf Werbung, die einem die Schuhe auszieht. Manchmal vor Überraschung, weil (vermeintlich) vieles falsch gemacht wurde (jedenfalls nach subjektiver Auffassung), manchmal auch vor Lachen. Beides zusammen hat heute Morgen ein Flyer der Initiative „Lebendiges Lechhausen“ ausgelöst. Der Flyer fiel mir aus dem „Augsburger Extra“, einer kostenlosen Werbezeitung, entgegen. Er zeigt ein wildes Durcheinander von Bild und vor allem Text. Sage und schreibe 11 Schriftgrößen, 6 Schriftarten, 5 Logos, 4 Schriftfarben, 4 Piktogramme, 1 Stadtplan und 1 Stadtplan als Hintergrundbild wurden hier verwendet. Eigentlich sollte man in der Werbung versuchen, möglichst wenig Durcheinander zu verursachen, weil die Werbebotschaft für den Adressaten immer unklarer und unerfassbarer wird, je unruhiger so ein Flyer ist.

Und wozu soll dieser Flyer nun gut sein? Er soll das Logo „Hier finden Sie eine nette Toilette“ bekannt machen (allein dieses Logo enthält 2 Schriftarten, 3 Schriftgrößen, 3 Schriftfarben und 4 Piktogramme). „Nette Toiletten“ sind, soviel glaube ich dem Flyer entnehmen zu können, Toiletten in Gastronomiebetrieben, die man kostenlos nutzen kann, auch ohne in diesen Betrieben etwas konsumieren zu müssen. Das kann ja, z.B. beim Einkaufsbummel, sehr hilfreich sein.

Jedoch, hier sind wir beim nächsten Werbe-Fauxpas: Aus dem Flyer wird nicht ersichtlich, an wen die Information gerichtet ist. Es könnten natürlich, wie schon vermutet, Einkaufsbummler sein. Es könnten aber auch, so wie der Flyer formuliert ist, allgemein die Einwohner von Augsburg-Lechhausen sein. Denn da steht: „Lechhauser Gastronomen stellen ihre Toiletten kostenlos zur Verfügung. Ihr Vorteil: regelmäßig gereinigte und gut ausgestattete Örtchen in schnell erreichbarer zentraler Lage“. Damit ist die Aktion ausreichend erklärt. Wer keine ganz so gut ausgestattete Toilette hat, komme vorbei.

In einer anderen Ecke steht: „Nutzen Sie die Möglichkeit“. Jetzt ergibt der Ikea-Slogan „Entdecke die Möglichkeiten“ doch noch Sinn. Man findet auf dem Flyer außerdem das Logo der „Aktionsgemeinschaft Lechhausen e.V.“, in dem zu lesen ist: „Lechhausen hat’s“. Ja, endlich, im Jahr 2013, hat auch Lechhausen die wundervolle Erfindung der wassergespülten Toilette, auf die auch das Wellensymbol in dem daneben stehenden Logo der „ARGE Lechhausen e.V.“ hinweist.

Auf der Rückseite des Flyers zeigt ein vereinfachter Stadtplanausschnitt, wo die „Netten Toiletten“ in Lechhausen zu finden sind. Leider steht gleich daneben: „Änderungen vorbehalten“. Auweia. Man sollte die Information ständig updaten (vielleicht gibt’s dafür ja eine App), sonst kann das im Ernstfall in die Hose gehen.
Und nicht vergessen: Das alles ist offenbar eine Initiative der Initiative „Lebendiges Lechhausen“. Es soll Leben in die Bude, Menschen sollen angelockt, der Einzelhandel soll gehalten und das Miteinander gefördert werden. Mit „Netten Toiletten“. Fehlt nur noch der Slogan „Wenn’s Arscherl brummt, ist unser Stadtteil g’sund“…

Auf der Flyer-Vorderseite steht übrigens noch eine Erklärung, die zum besseren Verständnis unter den Stadtplanausschnitt gehört hätte: „Die netten Toiletten finden Sie überall in denjenigen Gastronomiebetrieben im Stadtteilzentrum Lechhausen, die das obrige oo-Gesicht tragen.“

Äh, wieso das „obrige“ oo-Gesicht? Inwieweit ist die Obrigkeit hier involviert? Oder soll die Obrigkeit mit der Bezeichnung „oo-Gesicht“ verunglimpft werden? Die Antwort auf diese Fragen steht direkt daneben: In Lechhausen lässt die Obrigkeit ihre Untertanen gerade in extremen Drucksituationen nicht im Regen stehen, hier erleichtert man sich doch tatsächlich, ich zitiere, „mit Unterstützung des Wirtschaftsreferats der Stadt Augsburg“. DAS ist Bürgernähe.

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