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Mitleid für Psychopathen?

»Ach herrje, schon wieder ein neuer Beckett-Aufguss?«, dachte ich, als ich neulich im Supermarkt »Tiere« sah. Befeuert vom Erfolg seiner David-Hunter-Reihe, die im neuesten Bestseller »Verwesung« gipfelt, hatte der Rowohlt-Verlag erst kürzlich mit »Voyeur« Becketts Erstlingswerk aus dem Hut gezaubert. Wäre seine Krimi-Reihe rund um den Forensiker David Hunter nicht so erfolgreich geworden, wäre »Voyeur« wie auch »Tiere« wohl nie ans Licht deutscher Buchläden gelangt.


Doch meine anfängliche Skepsis war unbegründet. Zwar ist »Tiere« aus Sicht des einfältigen Sonderlings Nigel in einfachen Hauptsätzen geschrieben und lässt den skeptischen Leser eine ebenso vorhersagbare Handlung befürchten. Doch die Sprache des Romans täuscht. Sie trägt im weiteren Verlauf wesentlich dazu bei, dass man immer tiefer in die kranke Psyche des Protagonisten taumelt. Mehr noch. Der empathisch begabte Leser empfindet schon bald Mitleid mit Nigel, der in seinem Keller Menschen wie Tiere gefangen hält und foltert. Als der Außenseiter Besuch bekommt von seinen beiden aufreizenden Arbeitskolleginnen, geht das Buch einen düsteren Gang, der sogar routinierte Schocker-Freunde noch überrascht und, ja, ich gebe es zu, durchaus verstört.

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