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Netzkarte

Bahnschiene_klein.jpgIch mag Bücher über Taugenichtse, Flaneure und Hochstapler. Warum? Vielleicht weil diese Herrschaften einfach tun, was sie möchten und nichts darauf geben, was die Gesellschaft von ihnen erwartet. Sie sind lässig und unabhängig, selbstironisch, entspannt und nachdenklich ohne Grübler zu sein. Manchmal suchen sie auch nach dem für sie richtigen Lebensweg.

Angefangen hat meine große Sympathie für Nichtstuer und Schlitzohren mit der Lektüre von Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ – spritzig, leicht und mit einem faszinierenden Protagonisten, der das Leben liebt. Auch bei Wilhelm Genazino tauchen solche Herren gern auf – komisch, diese Sorte Mensch wird in der Literatur meist von Männern verkörpert. Offensichtlich trauen Autoren eher Männern als Frauen diese liebenswerte Unverfrorenheit zu …

Netzkarte.jpgEin weiterer Vertreter dieser Spezies taucht bei Sten Nadolny in seinem Roman „Netzkarte“ auf. Er heißt Ole Reuter und begibt sich mit besagter Fahrkarte, die dem Buch den Titel gibt, einen Monat auf die Reise. Kreuz und quer durch Deutschland fährt der junge Mann, lässt sich treiben und mag sich so gar nicht festlegen. Ein windiger Filou ist dieser Ole Reuter aber nicht. Er steht kurz vor seinem Lehramts-Staatsexamen, als er sich zu der Fahrt entschließt. Ein letzter, wenn auch eher zahmer „Ausbruch“, bevor die Berufstätigkeit beginnt? Oder eher eine Suche? Nach Erlebnissen, vielleicht sogar nach sich selbst? Sicher spielt hier all das eine Rolle.

Sten Nadolny gelingt es bravourös, das Nachdenken über das eigene Leben, über Entscheidungen oder Entscheidungsvermeidungen zu schildern. Ein bisschen schimmert in diesem frühen Werk Nadolnys schon das Thema des Lebenstempos hindurch, das dann in seinem späteren Bestseller „Die Entdeckung der Langsamkeit“ zum Hauptmotiv wird. Ein spannendes Buch also, diese „Netzkarte“, und ich empfehle es nicht nur als Zuglektüre!


Bild Schienen: Thorben Wengert/pixelio.de

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