Suche
Close this search box.

Porno im Friseur-Salon

„War dir schon mal ein Buch peinlich?“, fragte mich unlängst meine gute Freundin Susanne. Und sie erzählte mir kurzerhand, wie sie sich tags zuvor für ein Buch beinahe in Grund und Boden geschämt hätte.

Frisör„Ich saß auf dem Stuhl der Friseuse meines Vertrauens“, begann Susanne zu erzählen, „und ließ mir die Haare färben. Nachdem dieser Akt erfahr- ungsgemäß bis zu einer Stunde dauern kann, hatte ich vorgesorgt und den Roman mitgenommen, den ich aktuell lese. Umringt von anderen Kundinnen, die, wie es eben die weibliche Natur ist, neugierig auf alles spechten, was andere Weibchen aus ihrer Tasche fördern, zog ich Irvine Welshs ‚Porno‘ hervor. Da erst bemerkte ich, dass auf dem Cover unübersehbar das Gesicht einer aufblasbaren Gummipuppe prangt. Spätestens der dicke Titel darüber rundete das Bild so deutlich ab, dass auch ein Blinder im hintersten Eck des Friseur-Salons denken musste: ‚Liest dieses Frau dort etwa einen Porno-Roman?‘

‚Nein! Das tu ich natürlich nicht!‘ hätte ich antworten können, wenn mich jemand gefragt hätte. Es fragte aber keine®. Jede(r) schaute nur neugierig und verstohlen. Und so versuchte ich mühsam das Cover zu verdecken. Doch da stellte mir die Tücke des Objekts ein Bein. Denn der Fortsetzungsroman von Welshs legendärem Erstlingswerks ‚Trainspotting‘ trieft vor Schimpfwörtern, die, und das ist das Problem, flächendeckend in den Zwischenüberschriften verwendet werden, die auf jeder dritten Seite prangen. Und so blätterte ich mich von Vulgär-Überschrift zu Schimpfwort-Überschrift. Der ‚Gossenslang‘ ist quasi Welshs Markenzeichen und ein Kunstgriff, um seinen Romanfiguren aus der schottischen Arbeiterklasse Ausdruck zu verleihen.

Doch hier im Salon Welsh zu lesen, war mir furchtbar peinlich. Ich verrenkte mir fast die Hände beim Versuch, die verwerflichen Überschriften so unauffällig wie möglich zu bedecken. Schließlich wurde mir mein Buch so peinlich, dass ich resignierte und es zurück in meine Tasche räumte. Zum Glück lag vor mir ein Stapel Frauen-Zeitschriften, von denen ich mir die unverfänglichste herausgriff: Backen und Kochen.“

Können Sie sich vorstellen, wie ich über Susannes Bericht gelacht habe?

Diesen Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge