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Sich die Mozartkugel geben

Das Jahr 2006 ist das große Mozart-Feier-Jahr. Wussten Sie es schon? Mozart nervt? Weil ja 1991 schon Mozart-Jahr war? Nicht Geburtsjahr, sondern das 200. Jubiläumsjahr des Todestages. Es reicht mit diesen Gedenkjahren? Finden Sie? Werden 2006 nicht auch noch Heine, Lessing, Benn und Rilke abgejubelt? Und waren nicht erst Schiller und Andersen dran?

Nicht aufregen, meine ich, wir könnten schließlich noch mehr Gedenkjahre für Künstler haben, wenn wir auch den Tag der Taufe, des Schulanfangs, der Trauung und der Scheidung berücksichtigen würden. Nicht nur Sie, auch andere versuchen dem Mozart-Jahr-Terror zu entkommen. Ein Kabarettist hat sogar gefordert, man solle lieber das Einstein-Jahr wiederholen, weil man von Einstein nicht alles verstanden habe. Das geht aber leider nicht, weil Wolfgang Amadeus Mozart 1756 geboren wurde und somit in 2006 seinen 250. Geburtstag feiern könnte, wenn er nicht in einem Massengrab für Verarmte gelandet wäre. Außerdem sind schon massenhaft Veranstaltungen in den Mozart-Städten Salzburg, Wien und Augsburg angesetzt, wofür schon Millionen von Prospekten und Plakaten gedruckt wurden. Da müssen wir durch!

Wer keine Lust hat sich in einem vollbesetzten Konzertsaal zum xtenmal die Kleine Nachtmusik anzuhören und den leberfleckigen Nacken der Tante in der vorderen Reihe zu betrachten, kann sich mit einem Mozart-Buch in sein einsames Kämmerchen zurückziehen und dort dem Musik-Genie in aller Ruhe seine Ehre erweisen. Ich habe mir vorsichtshalber eine Mozart-Biographie gekauft. Da kann man mitreden, ohne in durchtranspirierten Konzertsälen leiden zu müssen.

Für Mozart-Jahr-Hasser kann ich eine gute Lektüre empfehlen. Das Interview mit Wolfgang Amadeus Mozart in der Frankfurter Rundschau: »Drama des Alltags – Rock me, Amadeus!« Journalist Stefan Behr spricht mit dem vergnügt-lausbubenhaften Mozart, der zusammen mit Bach, Wagner und Beethoven im Musiker-Himmel herumhängt. Wie deftig das Wolferl da über seine seriösen Kollegen herzieht! Über Bach z. B.: »Knuffliger Kamillebeutel, alter Rechenschieber!« Über Wagner: »Traurige Gestalt mit hässlicher Nase, dessen Tannhäuser ein musikalischer Germknödel ist!« Über Beethoven: »Ludwig, alte Fledermaus!« Das wird einem gewissen Salieri zuviel: »Ich bring den Kerl um!« Keine Lösung des Problems für uns. Wir sind nicht im Musiker-Himmel, wo sowieso kein Mord erlaubt ist. Wir können uns nur hier unten auf dem Boden der Realität die Kugel geben. Die Mozart-Kugel, meine ich.

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