Wie seelenlos kann man sein?
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schweren Diebstahls angeklagt. Ruhig lächelnd sitzt er auf der Anklagebank, während
Zeuge um Zeuge seine hinterhältigen Raubzüge schildert. Er blickt den Menschen,
die ihn anklagen, direkt in die Augen, zuckt die Schultern und grinst. Von Reue
keine Spur. Andere Gefühle als Habgier scheint der Mann nicht zu kennen. Was
geht in diesem Menschen nur vor? Diese Frage stelle ich mir, seit ich letzte
Woche als Geschädigter vor Gericht dem mutmaßlichen Dieb meiner Brieftasche
gegenübersaß. Dass das Gefühlsleben jedes Menschen verschieden ist, war mir
schon klar. Doch dass es auch Menschen gibt, die gänzlich ohne Gefühle, ohne
Moral und Anstand auskommen, hatte ich bislang stets verdrängt.
der meinen Fall und die vielen anderen Diebstähle aufgedeckt hatte, konnte mir
meine Frage nicht wirklich beantworten. „Manche Menschen haben einfach keine
Seele“, erwiderte er lapidar. Und so verließ ich das Amtsgericht verwirrt und
frustriert. Meine Brieftasche werde ich nach Abschluss des Verfahrens zwar
wieder bekommen, nicht aber die rund 200 Euro darin. Auch sämtliche Bankkarten und
Papiere sind weg. Der materielle Schaden ist überschaubar, aber nicht der gefühlte.
ich schließlich bei Oscar Wilde. Ganz anders als der Kommissar glaubte er: „Die
Seele ist eine furchtbare Wirklichkeit. Man kann sie kaufen, verkaufen,
umtauschen. Sie kann vergiftet, zerstört oder zur Vollkommenheit geführt
werden. In jedem von uns lebt eine Seele, ich weiß es.“