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Zwergenwelten

Vielen gilt er als Inbegriff der Spießigkeit, Geschmacklosigkeit und des Kitsches: Der Gartenzwerg hat einen schlechten Ruf. Doch da tut man dem kleinen Mann unrecht und verkennt sein Potential völlig. Im Barock etwa tummelten sich die Zwerge in hochherrschaftlichen Gärten. Doch man umgab sich in Adelskreisen nicht nur mit Zwergenskulpturen, sondern ergötzte sich auch an kleinwüchsigen Menschen. So ließ sich etwa Kaiser Karl IV. von seinem »Hofzwerg« Jakob Ries unterhalten. Im Zuge der Aufklärung geriet dann allerdings die »Zwergenhaltung« in den Schlössern in Verruf und auch aus den Gärten verschwanden die kleinen Gesellen. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Zwergenfiguren wieder auftauchten. Im 19. Jahrhundert schließlich wurden sie wieder im Grünen gesichtet, diesmal in den bürgerlichen Vorgärten und in der Form, in der wir sie auch heute noch kennen: mit Zipfelmütze, Gartenschürze und allerlei Werkzeug ausgestattet.


Gartenzwerg.jpgEs erfolgte ein regelrechter Zwergenboom mit Serienfertigung der liebenswerten Gartenbewohner. Die Wiege der Zwergenproduktion liegt in Thüringen. 1872 wurde in Gräfenroda die »Gartenzwergmanufaktur Philipp Griebel« gegründet. Sie überlebte bis heute und stellt die zipfelbemützten Wesen nach wie vor aus Terrakotta und in Handarbeit her. Im Firmenmuseum kann außerdem der modische Wandel, den die Gartenzwerge durchmachten, begutachtet werden (www.zwergen-griebel.de). Durch die Massenproduktion und billige Werkstoffe wie Gips und Kunststoff konnte sich auch das einfache Volk die niedlichen Gartenbewohner leisten. Und so wurden die wackeren Gesellen zu gern gesehenen Gästen in den Parzellen der Laubenpieper.

Der Zwergenkult knüpft an die nordische Mythologie an. In der isländischen Edda etwa werden Zwerge als listige, überaus schlaue und zauberkundige Wesen dargestellt. Sie leben meist unterirdisch und sind mit dem Abbau von Edelmetallen wie dem Erz beschäftig. Im Grimmschen »Schneewittchen« findet man die kleinen Bergleute wieder. Zwerge spielen eine große Rolle in vielen Märchen, aber auch in den Werken der deutschen Romantik, wie etwa in Wilhelm Hauffs »Zwerg Nase«.  Vorbilder des Gartenzwergs könnten auch in der Antike zu finden sein, etwa in den kleinwüchsigen Bergmännern auf Kreta. Sie sollen hohe, spitze Mützen getragen haben, um sich in den niederen Stollen nicht den Kopf zu stoßen. Oder die ebenfalls kleinwüchsigen Venetianer, »Venediger-Mandl« genannt, die im Mittelalter in den Alpen nach Gold und Kobalt gruben.


Nach dem Zweiten Weltkrieg erlahmte die Begeisterung für Zwerge im Garten. Doch einige haben überlebt und halten tapfer die Stellung. Und damit sie nicht völlig in der Versenkung verschwinden, haben ihre Fans die »Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge« gegründet (www.zipfelauf.com). Ebenso kümmert sich die »Front zur Befreiung der Gartenzwerge« um ihr Wohlergehen. So werden Zwerge aus Vorgärten entführt und in ihrem vermeintlich natürlichen Lebensraum, dem Wald, wieder aussetzt. Ob die seit Jahrhunderten eines artgerechten Lebens Entwöhnten in freier Wildbahn überleben können, sei dahingestellt.


Passen Sie also gut auf Ihren kleinen Zipfelmützenträger auf, wenn sie noch einen haben! Und für alle Zwergenfans und solche, die es werden wollen, gibt es hier ausreichend Schmökerstoff:

"Ein Leben als Zwerg"

"7 Zwerge – Das Hörspiel"

und

"Ich liebe meinen Gartenzwerg"


Bild: Gartenzwerg © CHRISTIAN SEIDEL/www.pixelio.de

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