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Alles zu jeder Zeit an jedem Ort?

Es gibt kaum eine mögliche Untersuchung, die nicht gemacht wird. So hat man – ich zitiere Langendorfs Dienst – auch 25.000 Leute befragt, was ihre Buchkaufgewohnheiten angeht.

Was kleiner stationäre Buchvertriebsformen angeht, so hat man festgestellt, dass die meisten Kunden des Bahnhofsbuchhandels Interesse an Klassikern haben. Auch für Biografien und billige Bücher interessieren sie sich. Hätte man erwartet, dass der Bahnhofsbuchhandel eine Hochburg von Goethe und Schiller, Proust und Zola ist? Oder dass man dort lieber Tschechow als man anderes Buch kauft. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, wie diese Affinität von Zugreisenden zu Klassikern zustande kommt. Umfragen können manchmal wohl mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Bilder-, Kinder- und Schulbücher sind im Bahnhofsbuchhandel kein Thema. Anscheinend sind Zugreisende weiter von Kinderwelten entfernt als andere Buchleser.

Was zu erwarten war: Kunden in Supermärkten, Tankstellen und Zeitschriftenläden, kaufen mehr als andere TV-Bücher, Modernes Antiquariat und Neuerscheinungen – seltsamerweise aber auch Schulbücher. Die Tankstelle als Ort des Schulbuchkaufs? An den Gedanken muss ich mich erst gewöhnen. Nicht überraschend ist, dass hier kaum politische Bücher oder Fachbücher gekauft werden.

Und im Antiquariat? Klar, hier werden antiquarische Bücher gekauft, aber auch viel Modernes Antiquariat. Auch hier ist ein geringer Hang zu Kinderbüchern festzuhalten. Und am wenigsten suchen Antiquariatskäufer Bestseller oder TV-Bücher. Das ist nur zu gut verständlich.

Aber was sagt uns das jetzt alles? Werden ARAL und SHELL bald einen Schulbuchmarkt neben ihren Landkarten eröffnen? Wird man sich im Bahnhofsbuchhandel darauf einstellen müssen, dass neben dem Stapel der St. Pauli Revue bald Goethes Wahlverwandtschaften liegen? Mir zeigt die Untersuchung, das die Kauforte immer weniger eine Rolle spielen. Man kann Kunden heute nicht mehr vorschreiben, dass es im Bahnhofsbuchhandel vor allem schnelldrehende seichte Bestseller gibt und man in der gediegenen Buchhandlung mit Tradition bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Klassiker zu kaufen hat. Irgendwie erwarten wir heute zu jeder Zeit an jedem Ort alles. Vielleicht ist das die wichtigste unbewusste Folge des Internets auf uns Heutige.

(geschrieben von Matthias Stöbener)

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