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BlitzlichtNeulich durfte ich mich wie ein Star fühlen. Ich kam nämlich zu der Ehre, im ständigen Blitzlichtgewitter von Fotografen zu stehen. Eigentlich wollte ich in meinem Lieblingsrestaurant nur essen, aber jeder Bissen wurde minutiös aufgezeichnet. Und Sie wissen vielleicht, wie selten dämlich essende Menschen auf Fotos aus- sehen. Mein geliebter Semmelknödel in Schwammerlsoße blieb mir dabei im Hals stecken – was mich als Motiv nicht wirklich attraktiver machte…

Das Ganze kam so: Als ich mich an einem verträumten Sonn- tagnachmittag zu einer gemütlichen Lektüre mit anschließendem Imbiss in meinem Stammlokal niederließ, war ich noch guter Dinge. Die Gesellschaft am Nebentisch fiel mir nicht weiter auf. Bis ich nach einigen Minuten zum ersten Mal aufschreckte. Vertieft in Paul Austers „Die Entdeckung der Einsamkeit“ sah ich aus den Augenwinkeln ein bläuliches Blinken und Blitzen. Ich sah verschreckt aus dem Fenster, in der Erwartung einen Krankenwagen mit Blaulicht oder ähnliche Einsatzfahrzeuge vorfahren zu sehen. Nichts.

Ich versenkte mich wieder in meine Lektüre. Wenige Sekunden später das gleiche Spiel.

Ich sah aus dem Fenster und dabei bemerkte ich, dass das Blitzlicht von dem Tisch hinter mir kam. Jetzt bemerkte ich die feiernde Gesellschaft. Anscheinend hatte deren Oberhaupt, der Großvater irgendein rundes Jubiläum, das ausführlich begossen und vor allem dokumentiert werden musste.

Jeder machte ein Bild: Tochter, Schwiegersohn, Oma, Tante, Großtante, Enkel I, Enkel II und Enkel III… Ihr Lieblingsmotiv: der Opa, der sich in der Aufmerksamkeit sonnte – und ich. Ich saß nämlich exakt hinter ihm, und zwar im 90-Grad-Winkel, hervorragend im Profil getroffen.

Mein Essen kam, und der Spaß ging los. Ich zerteilte den Knödel, schob mir ein Stück davon in den Mund – und blitz! Das nächste Stück: blitz. Als mir ein Stück Knödel von der Gabel in die Soße fiel: blitz. Als ich mir die Soße vom Pullover wischte: blitz. Das nächste Stück geriet etwas zu groß (blitz!), als ich es in den Mund schob (blitz!), verschluckte ich mich fast daran (blitz!). Ich hustete (blitz!) und prustete (blitz!), zum Glück verhinderten ein paar Schluck Wasser, dass ich auch noch vom Stuhl gekippt wäre (blitz!)…

Den Salat, er bestand aus großen Blättern, ließ ich wohlweislich stehen. Der Appetit war mir eh vergangen. Ich wandte mich wieder Paul Auster zu. Die Blitze wurden weniger, bald war das Gewitter ganz abgezogen. Als die „Blitzgesellschaft“ aufbrach, war ich sehr erleichtert. Prominente und alle Personen, die im „Lichte der Öffentlichkeit“ stehen, haben ab sofort mein tief empfundenes Mitgefühl…

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