Das imperfektible Dinner

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Es begab sich aber zu der Zeit, da man zwar auch nicht mehr ganz jung war, Kochshows im Fernsehen aber die noch ganz alten Semester ansprachen. Das waren aber auch ganz andere Sendungen, damals, z.B. mit einer netten, spätzlereibenden Oma und so. Na, jedenfalls, zu dieser damaligen Zeit traf man sich, wenn man sich privat zum Essen traf, in der Regel zum gemütlichen, gemeinsamen Spaghetti-Kochen. Jede/r brachte irgendwas mit. Fertigsalat im Plastikbecher oder eine Flasche Ketchup, ein Rest Oliven von der letzten Cocktail-Party, Kartoffel-Chips als Beilage u.v.m. Der Spaß lag darin, aus inkompatiblen Zutaten ein Menü für inkompatible Geschmäcker zu improvisieren. Mit lautstarker Tratscherei und Gelächter über das Leben und die Liebe.

Aber dann entdeckten die Kochshow-Macher die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Die Sendungen liefen ab da zu besten Sendezeiten, mit jungen, hippen Prominenten und/oder jungen, hippen, innovativen Spitzenköchen und/oder jungen, hippen, innovativen und dynamischen Konzepten vom Wettkochen bis zu Kochwetten.

Und die neuen Kochshows kamen an. Prompt brachte jemand zum gemütlichen, gemeinsamen Spaghetti-Kochen das erste »Tiramisù« mit. »Tyrannisu« wäre treffender. Denn das einst ungezwungene Essen unter Freunden musste ab sofort »das perfekte Dinner« sein. Spaghetti mit Tomatensoße wurden durch »Trenette mit Pesto« und »Schwarzes Risotto« ersetzt. Statt Bier gibts heute Wein. Statt Obstler Grappa. Mit dezenter Unterhaltung über Selbsterfahrung. Auch auf Kleidung und Tischmanieren legt man auf einmal größten Wert. Wehe, wenn man zu laut lacht: »Du, das war jetzt echt nich angemessen, ja?« (Ja. Schmatzen und Schlürfen – Espresso mit Crema – scheint allerdings erlaubt zu sein…) Und alle fühlen sich dabei jung, hip, innovativ und dynamisch. Ich dagegen denke: Das ist nichts anderes als modernes Spießbürgertum. Leider denke ich oft auch zu laut.

Zum nun nicht mehr ganz so gemütlichen, gemeinsamen Kochen und Essen werde ich jetzt nicht mehr eingeladen. Aber so gehts anderen auch, wie ich feststellte. Wir haben uns zusammengetan. Vielleicht haben Sie uns schon mal gesehen. Wir sind die Selbsthilfegruppe »Leberkäs und Flaschenbier« und treffen uns täglich zum perfekten Dämmerschoppen am Kiosk in der Coffee-to-go-freien Zone auf dem Rathausplatz.

Autor: Gerald Wunder
Bildquelle: Joujou / pixelio.de

4 thoughts on “Das imperfektible Dinner

  1. Olivia Bauer

    Kann es bei einem gemütlichen Essen nicht auch mal etwas gesitteter zugehen? Sie sitzen dabei wahrscheinlich am liebsten vor der Glotze und kratzen sich an unsäglichen Stellen. Und diese „Leberkäs und Flaschenbier“-Alkis sind eine Gefahr für unsere Straßen und Plätze.

  2. Karoline Ochen

    Also ich finde die Kochsendungen gar nicht schlecht. Da kann man echt was lernen. Und immer nur Nudeln mit Tomatensauce ist doch auch langweilig, oder?

  3. Margit F.

    Ich wundere(!) mich wirklich, wie frau auf so einen witzigen Blog dermaßen bierernst reagieren kann! Und aus der feucht-fröhlich-ironischen „Selbsthilfegruppe L. & F.“ gleich eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung zu konstruieren, das zeugt schon von einem gerüttelt Maß an Humorlosigkeit. Wahrscheinlich geht Frau Bauer in den Keller, wenn sie sich mal an „unsäglichen Stellen“ (??) kratzen will. Der Himmel verschone uns von solchen Zeitgenossinnen…

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