Jüngst jährte sich wieder
der Jahrestag des Mauerfalls. Da kann man sich ja auch einmal literarisch mit
dem früheren "Osten" beschäftigen. Zum Beispiel mit dem Autor des berühmten
Romans "Rummelplatz", Werner Bräunig. Der 1934 in Chemnitz geborene Autor war im
Uranbergbau tätig und dann als Heizer, als er sich dem Schreiben zuwandte und
1960 sein wichtigstes Werk verfasste. Es behandelt die Anfänge der beiden
deutschen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg und gilt daher als einer der
entscheidenden Gesellschaftsromane dieser Epoche. Ihn in eine Reihe zu stellen
mit Heinrich Böll und Wolfgang Koeppen ist also gar nicht so vermessen.
Die wirklichkeitsgetreue
Darstellung der gesellschaftlichen Umstände in der DDR war der politischen
Führung allerdings ein Dorn im Auge, "Rummelplatz" erschien nur in Auszügen und
lediglich in zensierter Form. Werner Bräunig hat diesen Konflikt mit der SED
kaum ertragen und brach die Arbeit am Roman 1966 ab. Er starb zehn Jahre
später, mit 42.
Erst nach der
Wiedervereinigung gelangte das Manuskript zurück zu Bräunigs Familie, die es
dem Berliner Aufbau-Verlag übergab, wo es 2007 erschien: später Ruhm für den
Roman des "Arbeiterschriftstellers" Bräunig, denn er wurde im selben Jahr sogar
für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Sparte Belletristik nominiert. Zu
spät für Werner Bräunig selbst, der die harte Auseinandersetzung um sein Werk
nie verwunden hat und nach "Rummelplatz" nur noch in kleineren literarischen
Formen arbeitete, aber keinen Roman mehr schreiben konnte oder wollte.
Sein Erzählungsband "Gewöhnliche Leute" ist eine Sammlung seiner kraftvollen und gleichzeitig
sensiblen Geschichten um Werktätige in der DDR, ihre Träume vom Glück, ihren
Alltag im Sozialismus. Das Milieu der einfachen Menschen ist Bräunigs Welt.
Ergänzt wird der Band durch bislang Unveröffentlichtes. Mit Ostalgie hat das
Ganze nichts zu tun – aber viel mit Werner Bräunigs literarischem Talent und
Gespür für seine Lieblingsfiguren, eben die gewöhnlichen Leute.