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Eine vegetarische Weihnachtsgeschichte

WeihnachtsmarktMein erster Besuch auf dem Christkindlesmarkt gilt wie seit Jahren der Bretterbude mit den Kartoffelpuffern. Dabei komme ich an einer lebendigen Krippe vorbei, in der ein Esel, ein Schaf und eine Kuh stehen. Beauf- sichtigt vom Bauern. Ich oute mich als Tierfreund und ver- suche die Tiere zu streicheln. Beim Schaf gelingt es mir. Mit dieser verfestigten Tierliebe in der Brust wandle, nein, schwebe ich zur Bude mit den duftenden Kartoffelpuffern, die auf einem großen Blech im Fett brutzeln. In dieser Stimmung könnte ich keine Bratwurst hinunterschlingen, für die ein Tier sein Leben lassen musste. Auch wenn es auf meinem Christ- kindlesmarkt noch keine Schafswurst mit Senf oder Ketchup gibt. Dieses Jahr hat sich die Beilagenauswahl zu den Kartoffelpuffern gewaltig erhöht. Es gibt nun auch Joghurt oder Marmelade dazu. Ich nehme – wie immer – die drei Kartoffelpuffer ohne Beilagen. Also pur. Nur leicht gesalzen. Die kreisrunden, gelbbraun gerösteten Kartoffeldinger verputze ich unter Augustus. Sie kennen ihn nicht? Es ist der römische Kaiser Augustus. Eine bronzene Brunnenfigur. Er steht hier, auf einem Sockel, als Brunnenfigur über dem Brunnen, dessen Becken mit Brettern verschlossen ist, neben dem Weihnachtsmarkt und reckt seine richtungweisend Hand zum Rathaus hinüber.

Es war genau dieser Kaiser, der damals eine Volkszählung beauftragte, die bewirkte, dass Joseph und Maria nach Bethlehem loszogen. Und dann wurde ihnen ein Kind im Stall geboren. Man kennt diese Geschichte. Eine wunderbare Geschichte. Die Weihnachtsgeschichte. Ich komme ins Nachsinnen. Was diese Familie damals wohl gegessen hat? Sicherlich nicht Kartoffelpuffer. Genauso wenig eine Bratwurst. Eine Gans, eine Ente oder einen Karpfen auch nicht. Aber was dann? Ich sollte auch deswegen mal wieder ins Neue Testament schauen – oder in ein Bibel-Lexikon. Ich würde das gerne auch mal essen, was Maria und Joseph gegessen haben, als sie zur Volkszählung gezogen sind. Hoffentlich waren das nicht geröstete Heuschrecken … Ich schüttelte mich. Jedoch blieb die Frage: Was würde zu Weihnachten bei mir auf den Tisch kommen, wenn ich essen würde, was Jesu Eltern aßen.

Ich schlendere weiter über den Christkindlesmarkt. Der Anblick eines Stollens erlöst mich von meinen unruhigen Gedanken. Ja, sage ich mir, ich werde mir eine stressfreie Küche am Heiligen Abend gönnen. Es wird bei mir herrlich riechenden und dampfenden Früchte-Tee mit Zimtgeschmack aus der Kanne und ein paar Scheiben Dresdner Stollen geben. Und als geistige Nahrung, wenn ich die Weihnachtsgeschichten aus aller Welt lese, erklingen aus dem Radio die schönsten Weihnachtslieder. Ich bin sicher, meine Augen werden leuchten.

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