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Es war einmal

Nein, ich will euch kein Märchen erzählen. Die bittere Realität soll hier dokumentiert werden. Es gab nur wenige Ostverlage, die Deutschlands Wiedervereinigung überlebten. Reclam Leipzig hieß einer. Seit ein paar Tagen gibt es auch ihn nicht mehr. Etwa 80 Verlage der ehemaligen DDR sind untergegangen. Das rührt mich. Nicht nur, weil ich jetzt vor Weihnachten sowieso in einer melancholischen Stimmung bin. Es geht mir um die Menschen, die damit ihre Arbeit verlieren, es geht mir um das Zeichen »Abbruch«, hinter dem keine Hoffnung schimmert.

Seit Jahren war Reclam Leipzig nicht mehr als eine Filiale des Stuttgarter Mutterhauses, das durch seine gelbe Reihe bekannt ist. Zumindest diejenigen, die eine höhere Schule besucht haben, kennen (und hassen) die kleinen gelben Hefte, die mit ihrem Geruch nach Butterbrot und Banane ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Der Stuttgarter Geschäftsführer hat von mittel- und langfristigen Überlegungen geredet, die gegen eine »fortgesetzte, wirtschaftlich unvernünftige Alimentierung einer Firmentochter« sprachen. Reclam Leipzig habe 15 Jahre lang Zeit gehabt, sich als eigene Marke auf dem Markt zu etablieren, es aber nicht geschafft. Basta.

Im Rückblick erkennt man: Im Taschenbuch-Sektor, auf dem Reclam Leipzig zu reüssieren suchte, kam man nicht gegen die Großen der Branche an (Heyne, Goldmann, Bastei-Lübbe etc.). Seit fünf Jahren versuchte man sich im Hardcover-Bereich. Aber hier einen Namen aufzubauen braucht langen Atem. Den hat man in Stuttgart wohl nicht. Angesichts des Konkurrenzdrucks auf dem Buchmarkt zählt nicht, dass ein Verlag 177 Jahre alt ist und viele Menschen im Osten eine emotionale Bindung an ihn haben. Leipzig, das es geschafft hat, als Buchmesse-Stadt gegenüber Frankfurt zu bestehen, ist leider ärmer geworden. Und die deutsche Literaturszene auch.

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