Suche
Close this search box.

Flaschenpost aus Nicaragua Teil 4:

470940_original_R_K_by_Sybille und Kurt Mader_pixelio.de.jpgDoppelleben

Auf dem äußersten Klippenrand des Stadtstrandes von San Juan del Sur thront eine riesige Jesus-Statue und wacht über die Bucht und ihre Bewohner. Sie scheint ihre Sache ziemlich gut zu machen. Denn diese Woche habe ich großartige Menschen aus zwei Welten kennengelernt.


Da ist zum einen Rosa mitsamt ihrer nicaraguanischen Familie, bei der ich in sehr schlichten Verhältnissen wohne (und das obwohl alle studiert haben und Rosa die Präsidentin des örtlichen Tourismusverbandes ist): kein Kühlschrank (deshalb gibt es zum Beispiel auch keine Milchprodukte), Wäsche wird mit der Hand gewaschen (ja Mama, stell dir vor, hab ich auch schon gemacht), ständig Stromausfälle, es gibt kaum Gemüse und Salat, weil es die Ernte verregnet hat und Importe unerschwinglich sind. Gegessen, gekocht, gewaschen und gelernt wird im Eingangsbereich. Dafür ist die Atmosphäre unvergleichlich herzlich. Rosas Tochter Junieta, die in meinem Alter ist, gibt mir jeden Tag vier Stunden Einzel-Unterricht, was immer sehr lustig ist, weil wir uns einfach über alles Mögliche unterhalten. Da sie gerade Englisch lernt, sind wir auch ein gutes Tandem.


Ja und dann habe ich mich noch in die hedonistische Backpacker-Parallelwelt gestürzt: Reggae-Konzert hier, Open-Mic-Abend da, Jamsessions, Wellenreiten und sogar ein Capoera-Workshop. Nebenbei führt man die immer gleichen Gespräche mit der ständig fluktuierenden Belegschaft der unzähligen Hostels: Wo kommst du her, wo gehst du hin, wie heißt du nochmal, ich habs schon wieder vergessen. Hin und wieder sind sehr witzige Persönchen dabei.


Allen voran die bezaubernde Holly aus Brighton, die mit ihrer entzückend englischen Art in diesem rustikalen Haufen völlig deplatziert wirkt. Von ihr kam völlig unerwartet der Vorschlag, wir könnten doch eine Zeit lang in der legendären Community Pacha Mama in Costa Rica verweilen. Also wenn schon Trommelkreis, dann mit Holly! Erst einmal beteiligt sie sich aber an einem sozialen Kunstprojekt mit Kindern. Oder sie recycelt PET-Flaschen zu Lichtquellen für die Slums, da ist sie gerade noch unentschieden.


Dann gibt es noch meinen Sprachschul-»Bruder« Richard, der aus einem kanadischen Indianer-Reservat kommt. Er hat schon einige Monate den Rucksack auf dem Buckel und liest am Open-Mic-Abend gerne mal seine Gedichte vor. Die Maskenbildnerin Ester aus München bevorzugt dagegen eher actiongeladene Vergnügungen wie Canopy-Touren (in 20 Metern Höhe schwingt man sich an Stahlseilen durch den Urwald). Und die Schweizer Standesbeamtin Nadine teilt sich am liebsten die besonnte und wellenberauschte Strand-Idylle mit ein paar schneidigen Volleyballern.


Für welche der vielen Möglichkeiten ich mich nächste Woche entscheide, steht schon fest: Im Nicaragua-See wartet eine Insel mit zwei Bergen, äh, Vulkanen auf mich. Bis dahin verbleibe ich mit zwiespältigen Grüßen,


Anja


Bild: Vulkan in Nicaragua © Sybille und Kurt Mader/www.pixelio.de

Diesen Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge