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Helau!

verkleidet"Kommst du mit auf den Karneval in Köln?", fragte mich neulich ein guter Freund. Bisher hatte er mich Jahr für Jahr eingeladen, ich hatte irgendwie nie Zeit. Und ganz unter uns: So recht Lust hatte ich als passionierter Faschings- muffel eigentlich auch nie. Doch mein Freund hielt mich wacker auf dem Laufenden – über die vielen "lustigen Leute" und die "tollen Frauen", die er dort alle getroffen habe. Dieter schwört nämlich auf seine "Geheimwaffe", wie er es nennt. Er verkleidet sich als Frau. Aber nicht ganz. Seinen von Haus aus eher dünnen Oberlippenbart lässt er stehen. Die Transformation zur Frau würde die Damenwelt neugierig machen – und sein Bart würde quasi "auf die trotz allem vorhandene Männlichkeit" hinweisen, die Damen also geradezu magnetisch anziehen. Massen von Frauen, jungen Mädchen und älteren Damen, hätten ihn geküsst, umarmt und weiteres angeboten. Doch dem wackere Dieter habe das bloße "Schäkern" stets gereicht.

Als ich neulich einen meiner Lieblingsromane aus Jugendzeiten, "Orlando" von Virginia Woolf, in einer Schaufensterauslage sah, musste ich unwillkürlich an Dieter denken. Virginia Woolf, großartige Schriftstellerin und tragische Heldin der Frauenbewegung, hatte wie Dieter Verkleidungen geliebt. Sie selbst hatte sich zum so genannten "Dreadnought-Streich" mit orientalischer Kleidung, schwarzer Schminke und einem angeklebten Bart als Kaiser von Abessinien verkleidet und gemeinsam mit fünf Freunden das Kriegsschiff MSN Dreadnought besichtigt. Was im Jahr 1910 ein Skandal war.

In ihrem Roman "Orlando" wandelt sich der Protagonist schließlich ganz vom Mann zur Frau. Spielerisch und erstaunlich leichtfüßig hinterfragt Virginia Woolf Rollenverteilung und Stellung der Frau in der Gesellschaft.

Doch wieder zurück zu Dieter. So recht konnte ich mir noch nie vorstellen, wie er in Frauenkleidung aussieht ("Am liebsten trage ich ja die Krankenschwesterverkleidung mit Häubchen" – O-Ton Dieter). Aber ich bin mir sicher, er macht eine gute Figur. Zumal er ein bisschen kleiner und zarter ist als der Durchschnittsmann. Allerdings würde mich persönlich, gehörte ich zu seiner Zielgruppe, der Bart schon arg stören…

Dieses Jahr werde ich vielleicht auch dabei sein, zumindest habe ich mir das vorgenommen. Als ich meiner Frau (die sich selbst als Virginia-Woolf-Fan bezeichnet) davon erzählte, war sie begeistert. Jetzt will sie mich persönlich verkleiden. "Du und Dieter, ihr gäbt zwei tolle Freundinnen ab", sagte sie, Tränen lachend…

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