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Jokers Morgen-Grauen, Teil 6

Als ich am Montag aus dem Urlaub zurückkam, dachte ich nach ein paar Stunden, ich hätte mich in der Adresse geirrt. Niemand kam zur Arbeit. Keiner auch. Im Laufe des Tages erschien dann doch noch Kollege Z. und grüßte mit „Zeitmahl!“ Das macht er seit zehn Jahren und findet es immer noch lustig. Ich habe ihn mal gefragt, was das soll. „Mahlzeit zu sagen ist doch genauso unsinnig“, war seine Antwort. Nun grüße ich aber gar nicht mit „Mahlzeit“, auch nicht in der Mittagszeit (als ich bei einem Bamberger Verlag in die Lehre ging, sagte man dort von 10.30 Uhr bis 16.30 Uhr „Mahlzeit“, wenn man irgendwem begegnete, das war tatsächlich nervig, wenn auch zur Entschuldigung der damaligen Büro-KollegInnen gesagt werden muss, dass sie im besagten Zeitraum tatsächlich immer am Essen waren). Kollege Z. auf meinen Einwand: „Ich weiß, dass es dich nervt, deswegen sage ich’s.“ Wie schön. Da denkt jemand nur an mich.

In der vergangenen Woche ist eine Menge passiert. Bundesministerin Schavan ist zurückgetreten, weil man ihr, so wie ich’s mitbekommen hab, wegen unsauberer Zitierweise in ihrer Doktorarbeit den Doktortitel aberkannt hat. Ach ja. Langsam wird’s langweilig. Wer den normalen Uni-Betrieb kennt, weiß, dass selbst in Abschlussarbeiten die wissenschaftlich wirklich korrekte Art des Zitierens meist gar nicht gern gesehen ist. Viele Korrektoren wollen sich nicht durch zwei Seiten lange Fußnoten für ein Zitat von drei Wörtern Länge kämpfen, auch wenn’s korrekt wäre.

Auch Papst Benedikt XVI. ist zurückgetreten. Da gab’s interessante Presse-Reaktionen. Die „taz“ zeigte die leeren „Schuhe des Fischers“ auf einer kompletten Titelseite und schrieb dazu „Gott sei Dank“. Für die nicht gerade als Papst-freundlich bekannte „taz“ eine recht moderate Meinungsäußerung.

„Bild online“ titelte schon etwas spektakulärer „Wurde der Pontifex Opfer einer Verschwörung?“, ohne die Verschwörung allerdings wirklich zu konkretisieren. Dafür folgte „Der Papst in Zahlen“ und der Kommentar „Wir sind Mensch“ (in Erinnerung an die Schlagzeile „Wir sind Papst!“ von 2005).

Geschmacklos war zu dem Thema am selben Tag nur „Spiegel online“. Da hieß die Schlagzeile „Papst-Rückzug ins Kloster – allein mit sieben Frauen“. Was soll denn das? Was will uns „Spiegel online“ mit einer solchen Headline sagen? Wahrscheinlich hält man es in der dortigen Redaktion für investigativen Journalismus, wenn man eine Meldung zum Papst mit zweideutigen Andeutungen aufbrezelt.

Außerdem war Fasching. Oder Karneval. Meine zahlreichen Nichten und Neffen wurden auf „Kinderfasching“-Veranstaltungen geschickt, die wohl nur für die mangels sonstiger Beschäftigung anwesenden Latte-Macchiato-Cappuccino-Eltern ein Erfolg waren. Für die Kinder sind das spaßbefreite Veranstaltungen: Was lustig ist, bestimmen die Erwachsenen. Also werden die Kinder regelrecht zur Polonäse gezwungen, da hilft auch kein Heulen. Spielzeug-Waffen aller Art sind ja schon seit einigen Jahren nicht mehr erlaubt, naja, darüber kann man streiten. Nun hat spätestens die Zensur der „Kleinen Hexe“ auch bewirkt, dass man keine „Indianer“, „Chinesen“ etc. mehr auf dem Kinderfasching sieht. Wer doch so erscheint, wird gnadenlos nach Hause geschickt oder mit Klopapier z. B. zur Mumie umgestylt. Selbst kleine Hexen sind oft nicht mehr politisch korrekt, sie werden in „weise Frauen“ verwandelt, wobei es dann gar nicht mehr so wichtig ist, dass die Gleichsetzung „Hexe = weise Frau“ in Deutschland auf die 1930-Jahre zurückgeht, als man die Hexenverfolgung in die Verfolgung germanischer „Heilerinnen“ umdeutete…

Bei all dieser vermeintlichen politischen „Korrektheit“ wundert mich, dass man zur besten Kinder-Fernsehzeit die Rosenmontagszüge im TV überträgt. Mit einer nackten Bundeskanzlerin Merkel als Muttersau und einem nackten italienischen Ex-Ministerpräsidenten Berlusconi beim Vollzug der Sodomie mit einem Europa-Stier. DAS dürfen Kinder offenbar sehen, sowohl „live“ als auch am Fernsehapparat, einen Papp-Säbel dürfen kleine Piraten aber nicht schwingen.

Schön, dass jetzt erst mal Wochenende ist. Morgen werde ich auf einen Berg steigen und von einem Hügel herunterkommen.

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