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Jokers Morgen-Grauen, Teil 4

Ich liebe es, wenn meine Arbeit konstruktiv kritisiert wird. Ehrlich. Der Morgengruß der Woche lautet daher: „Jaaa, hallooo, ich wollt‘ noch was zu diesem Blog-Ding sagen…“

Zusammengefasst: Jaja, schon schön, kreativ und crazy is‘ ja gut, aber „ein Tick mehr Ernst“ sollte rein und bitte auch Gefühl, denn Gefühl tun die Leute lesen wollen. Offenbar soll ich nicht mehr nur meine Schreibübungen in eine lesbare Form bringen, sondern eher im klassischen Sinn bloggen. Sozusagen vorsätzlich. Na, mir soll’s recht sein. Reden wir also mal ERNSThaft über GEFÜHLe.

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie die Liebe in der letzten Zeit von der Werbung vergewaltigt wird? McDonald’s liebt „es“. EDEKA liebt Lebensmittel. Der Radiosender Antenne Bayern liebt, wer hätt’s gedacht, Bayern. Selbst in der schwäbischen Provinz wird geliebt – das Modehaus Thanner liebt Mode. Und die Fluggesellschaft Condor liebt Fliegen. Ja wirklich, „Wir lieben Fliegen“ steht da auf der Homepage, aber in der Not frisst die ja auch der Teufel und vielleicht geht’s Condor grad nicht so gut.

Es gibt noch viele weitere Beispiele. Woher aber kommt die Liebes-Inflation? In der Werbung gibt es immer wieder Trends, die meist von „Experten“ in „Instituten“ ausgelöst werden. Das sind Psychologen, Gehirnforscher etc., oft aber auch irgendwelche selbsternannte „Fachleute“. Und jetzt hat man eben die Bedeutung der „Gefühlsebene“ für das Kaufverhalten erkannt. Jede Werbung muss nun auch ein Gefühl enthalten. Und weil Liebe als sehr starkes Gefühl gilt, glaubt man, mit „Wir lieben…“ besonders viel der ach so geliebten Ware zu verkaufen. Das ist natürlich jetzt sehr einfach ausgedrückt. Aber ich glaube, das fragwürdige Prinzip dahinter ist klar geworden.

Ich bin da ja eher skeptisch. Wer etwas Geliebtes verkauft, ist mir suspekt. Das alte Sprichwort „der würde auch seine Großmutter verkaufen“ zeugt seit jeher von der gesellschaftlichen Ächtung einer solchen Transaktion (und Sie lieben doch Ihre Großmutter, oder nicht?!?). Auch ganz allgemein hat die Verbindung des Gefühls „Liebe“ mit der Handlung „verkaufen“ traditionell nichts Positives an sich. Siehe auch „käufliche Liebe“.

Außerdem lässt man die Gefahr, dass der inflationäre Gebrauch des Begriffs Liebe zu einer Fehlinterpretation von Liebe führen kann, völlig außer acht. Ende 2012 wurde in Deutschland das Verbot einer sehr extremen, besonders üblen Form der missverstandenen Tierliebe heiß diskutiert. Hoffen wir, dass die oben beschriebene Werbungs-Liebe z.B. bei Lebensmitteln nicht auch so ausartet. In „blöd-und-Geiz-geil“-Zeiten mussten wir ja schon so einiges an „Werbung“ über uns ergehen lassen. Erinnern Sie sich an die Benetton-Plakate.

Richtig gut hat der Autobauer Opel auf die Gefühlswallungen reagiert: „Wir leben Autos“. In der ganzen Liebhudelei außenrum weckt der Spruch sofort die Aufmerksamkeit der Hörer/Leser, weil man erst glaubt, man hätte sich verhört/verlesen. Clever. Und sehr abgeklärt klingt der Weltbild-Katalog mit seinem »Wir lieben Bücher! Schnell zugreifen, solange der Vorrat reicht.“

So, entsprach das jetzt den Vorstellungen von einem ernsthaften, gefühlvollen Beitrag? Wie gesagt: Ich liebe Kritik…

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