Suche
Close this search box.

Trakl und die Kurbelwelle

Im Netz begegnet man ja den eigentümlichsten Menschen. In Foren und Chaträumen treten sie mit den verschiedensten Nicknames auf (der routinierte Surfer sagt übrigens "Nick" dazu). Neben einfachsten Namen wie "Tom75", "KathiSchnecki" oder schlicht "Mausi" finden sich auch fantasievollere. "Rainbow-Warrior", "Das-Ich" oder gar "weißes_Einhorn" zum Beispiel. Gelegentlich geben sich auch Literatur-Liebhaber zu erkennen. So traf ich neulich in einem Forum für Mercedes-Oldtimer überraschend auf einen "Trakl-Fan". Ich konnte es mir nicht verkneifen und sprach ihn schließlich, nach einem intensiven Austausch zum Thema Kurbelwelle, auf seinen Nick an.

Trakl"Literatur ist meine große Liebe", gestand er mir. "Und spontan ist mir nur Trakl eingefallen". Da musste ich zugeben, dass mir der Verehrte bis dato selbst zwar bekannt war, ich aber auf Anhieb nicht mehr über ihn wusste, als dass er ziemlich düstere Gedichte ver- fasst und am Ersten Weltkrieg teil- genommen hatte. Für einen Freund der Bücher wie mich ein unhaltbarer Zu- stand, der sofort behoben werden musste.

So erfuhr ich, dass Trakl in wenigen Tagen 130 Jahre alt geworden wäre. De facto hat der österreichische Dichter, der neben Franz Kafka wohl der bekannteste Vertreter des deutschsprachigen Expressionismus ist, von diesen 130 gerade mal 27 Jahre erlebt. Er gehört zu jenen tragischen Schriftstellern, die schon sehr jung gestorben sind.

Am 3. Februar 1887 erblickte Georg Trakl in Salzburg das Licht der Welt. Typisch für einen Expressionisten war sein Leben geprägt von Kälte, Krieg, Zerfall, Wahnsinn und Angst. Schon früh entfloh er der Realität mit allerlei Drogen, u. a. Chloroform, Morphium, Opium oder Alkohol. Günstigerweise arbeitete er dazu in verschiedenen Apotheken, wie zum Beispiel der Salzburger Apotheke „Zum weißen Engel“, und vertiefte seine Vorliebe anschließend, indem er in Wien Pharmazie studierte und darin promovierte.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde er als Militärapotheker an die Front berufen. Trakl, der schon zuvor unter schweren Depressionen gelitten hatte, erlebte die Schlacht von Grodék. Hier erlitt er wohl seinen finalen Nervenzusammenbruch. Vor seinen Augen erschoss sich ein Verwundeter, die vielen Leichen, die sich vor dem Lazarett häuften, gaben Trakl den Rest. Er starb wenige Wochen später, am 3. November 1914, an einer Überdosis Kokain in Krakau.

Eines seiner bekanntesten Gedichte ist wohl „Verfall“:

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

Diesen Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge