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Verkopft

Eine Freundin

studierte Philosophie: Noch immer knabbert sie an einem der Rätsel, die ihr

diese Wissenschaft mit auf den Weg gab. Manchmal ist es äußerst unterhaltsam,

einige Zeit mit ihr zu verbringen. Denn aus heiterem Himmel holen sie plötzlich

die großen Fragen ein.

RegenbogenLetztens bewunderten

wir beispiels- weise einen farbenprächtigen Regen- bogen: Seine wunderschöne Farben

leuchteten aus einem blass violetten Himmel herab. "Sieh nur, dieses zarte

Grün!", seufzte ich. Auch sie war sprachlos angesichts dieses Natur- spektakels

– aber nicht lange. Dann machte er sich wieder bemerkbar, dieser kleine

zweifelnde Quälgeist, der ihr so manche unruhige Nacht bescherte: "Aber

siehst du wirklich dasselbe Grün wie ich?", fragte sie mich und ich

blickte sie überrascht an. "Ja, wir sehen die unterschiedlichen

Wellenlängen des Lichts, das auf die Netzhaut unseres Auges trifft, als

bestimmte Farben – aber um diese Wellenlänge als Farbe zu ERKEN- NEN, ist noch

ein rein subjektiver In- terpretationsvorgang unseres Gehirns notwendig. Dieses

Grün ist mithin ganz und gar privat – es entsteht erst in deinem Bewusstsein.

Wer sagt, dass dieses Grün, das du siehst, nicht in Wahrheit mein Rot ist?

Vielleicht ist tatsächlich ALLES, was wir erleben, zu sehen glauben, nur

aufgrund einer sprachlichen Konvention vergleichbar."

Ich war nahe am

Verzweifeln: Wie konnte meine Freundin nur die Faszination dieses Augenblicks

mit ihren philosophischen Gedanken hinterfragen? Wie gerne wollte ich ihr klar

machen, dass es in manchen Momenten gar nicht darauf ankommt, das zu begreifen,

was "die Welt im Innersten zusammenhält".

Aber leider fühle

ich mich in der Welt der großen Denker, in ihrem Vokabular etwas fremd – ich

wusste schlichtweg nicht, wie ich meine Erkenntnis in Worte packen sollte. Und

da nahm ich mir fest vor, wieder ein wenig in unserer Philosophen-Bibliothek zu

schmökern: Nächstes Mal würde ich ihr deutlich machen können, dass ein

Regenbogen auch einfach mal nur genossen werden kann. Ohne Zweifel, ohne

Hinterfragen.

Ich warne Sie vor zu

viel Nachdenken!

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