Suche
Close this search box.

Alle Zeit der Welt

Zeit ist ein begrenztes Gut – das wird uns immer dann bewußt, wenn wir mal wieder völlig ins Trudeln geraten und uns verzetteln. Die Zeit läuft uns davon, heißt es dann so schön. Doch wie kann das sein? Eigentlich ist die Zeit doch wie ein gemächlich strömender Fluss: immer da, immer gleich, auch wenn sie mal scheinbar schneller und langsamer vergeht. Das liegt allein an unserer ganz subjektiven Wahrnehmung. In unseren modernen Zeiten hat der Mensch das Gefühl, immer schneller zu leben. Es kommt uns vor, als ob sich die Erde schneller drehen würde. Doch es sind nur wir selbst, die in irrsinniger Geschwindigkeit um uns selbst rotieren. Wir sind multitaskingfähig, können also Autofahren, Telefonieren, Radiohören, in der Nase bohren und essen zugleich – nur das Denken bleibt dabei auf der Strecke.

Wir haben keine Zeit mehr, uns zu besinnen, unser Tun zu reflektieren, zur Ruhe zu kommen, Muße zu haben. Als Gefangene des Hamsterrades, drehen wir uns immer schneller und finden den Ausgang nicht. In den USA gibt es sogar schon eine Krankheitsbezeichnung für dieses Leiden, das aus zu viel Eile und zu hohem Lebenstempo entsteht: „Hurry Sickness“. Doch Hilfe naht und zwar vom „Verein zur Verzögerung der Zeit“, 1990 in Österreich gegründet.  Diese Selbsthilfegruppe für alle Getriebenen hat es sich zur Aufgabe gemacht, der Schnelllebigkeit die Zeitverzögerung entgegenzusetzen. Entschleunigung ist also das große Thema der Zeitverzöger.

Wie soll das funktionieren? In dem man sich zunächst einmal eingesteht, dass man sich wie das weiße Kaninchen in „Alice im Wunderland“ benimmt – „keine Zeit, keine Zeit“, stammelt, hektisch auf die Taschenuhr blickt und weiterhoppelt. Der nächste Schritt: sich bewusst machen, wie sehr wir von „Maschinen“ abhängig sind und dominiert werden – von Smartphones, Computern, Telefonen, Nobebooks, Fernsehern… Die logische Konsequenz: öfter mal von diesen fiesen Zeiträubern abkoppeln und die Freiräume bewusst nutzen.

Ein paar hilfreiche Techniken für die Alltagsbewältigung haben die Zeitjünger auch noch anzubieten, nämlich das Denken in Polaritäten und das Denken in Balancen. Damit ist nichts anderes gemeint, als Gegenpole im Leben zu schaffen, die zur Harmonie führen. Wer also einen stressigen Job hat, der primär den Kopf fordert, sollte in seiner Freizeit etwas für den Körper tun, also Sport treiben, den Garten bestellen, sich mit Kindern oder Tieren beschäftigen. Rund 1.000 Mitglieder hat der Verein und sie alle verpflichten sich zum „Innehalten, zur Aufforderung zum Nachdenken dort, wo blinder Aktivismus und partikulares Interesse Scheinlösungen produziert.“

Will heißen, man braucht auch Phasen des Nichtstuns und Faulenzens, des Zeitverplemperns und Rumhängens, des Löcher-in-die-Luft-Starrens und Tagträumens. Böse Zungen nennen so etwas „Tagedieb“. Doch die Zeitverzögerer nehmen das gelassen, denn sie wissen, je achtsamer sie mit der Zeit und damit mit sich selbst umgehen, desto harmonischer und reicher wird ihr Leben – was sich auch in erhöhter Leistungsfähigkeit in Phasen der Aktivität niederschlägt.

Wer aus dem Hamsterrad aussteigen will, kann mal bei den Zeitverzögerern vorbeischauen:

http://www.zeitverein.com/

Wer sich für ein langsameres Leben interessiert, wird hier fündig:

http://www.jokers.de/9/?q=entschleunigung&search.x=0&search.y=0&tt=1&ts=1

Autorin: Petra Anne-Marie Kollmannsberger

Diesen Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge