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Die wilde Gräfin von Schwabing

Fanny_Graefin_zu_Reventlow.jpgSie war der schillernde Mittelpunkt der Münchner Bohème des 19. Jahrhunderts. Fanny zu Reventlow (1871 1918) war unangepasst und unkonventionell. Sie nahm kein Blatt vor den Mund und nahm sich die Männer, die sie begehrte. Ihr ungezügeltes Leben brachte ihr den Beinamen »Skandalgräfin« ein.

Fanny Liane Wilhelmine Sophie Auguste Adrienne Gräfin zu Reventlow, so ihr vollständiger Name, wurde 1871 in Husum geboren. Sie war einer harten Erziehung zur »höheren Tochter« ausgesetzt, der sie sich jedoch erfolgreich entzog. Nach nur einem Schuljahr wurde sie aus dem strengen Altenburger Magdalenstift in Thüringen relegiert. Sie galt als nicht zu bändigen und hatte sich als derart widerspenstig erwiesen, dass man sie der Schule verwies. Hartnäckig, wie sie war, ertrotzte sie sich eine Ausbildung an einem privaten Lehrerinnenseminar und erhielt 1892 die »Befähigung für den Unterricht an höheren und mittleren Mädchenschulen«: eine Sensation zur damaligen Zeit, denn eine Berufsausbildung war für adlige Fräuleins nicht vorgesehen.

Trotz ihrer hartnäckigen Durchsetzungsfähigkeit konnte sich Fanny zu Reventlow dem Gängelband ihrer Eltern nicht entziehen. Als diese heimliche Liebeskorrespondenz mit einem Verehrer entdeckten, steckten sie ihre Tochter (mit 21 Jahren!) zur »Besserung« in einen Pastorenhaushalt bei Flensburg. Fanny floh und brach für immer mit ihren Eltern.

Die Bekanntschaft mit dem Hamburger Gerichtsassessor Walter Lübke, den sie 1894 heiratete und von dem sie sich nach drei Jahren scheiden ließ, erwies sich für die freiheitsliebende junge Frau als Sprungbrett in ein neues Leben. Ihr Angetrauter finanzierte ihr einen Aufenthalt an einer Malschule in München und eröffnete ihr damit neue Horizonte.

In den Münchner Künstlerkreisen fand die emanzipierte Freidenkerin eine neue Heimat. Sie lebte unabhängig und unkonventionell und verdiente ihren Lebensunterhalt mit Artikeln u.a. für den Simplicissimus, aber auch als Gelegenheitsprostituierte, Sekretärin, Aushilfsköchin u.a. Berühmt-berüchtigt war die »wilde Gräfin von Schwabing« für ihre kompromisslose Nonkonformität, für die sie allerdings einen hohen Preis zahlte.

Als eigenständige, alleinerziehende Frau (Sohn Rolf wurde 1897 geboren) war sie im Deutschland der Jahrhundertwende von ständiger finanzieller Not und dem Ausschluss aus der Gesellschaft bedroht. Doch trotz aller Widrigkeiten blieb sich Fanny zu Reventlow stets selbst treu und verfasste über ihr freizügiges Leben und ihre Erfahrungen mit den »feinen Herren« der Münchner Künstlerszene amüsante Betrachtungen: wie etwa den Schlüsselromen »Herrn Dames Aufzeichnungen« und die vergnügliche Männertypologie »Von Paul zu Pedro«. Diese 1912 erschienenen »Amouresken« in Form eines Briefromans finden Sie hier bei Jokers. Eine heitere, tiefgründige Charakterstudie Münchner Bohémiens und zugleich ein faszinierendes Zeitgemälde. Wir lernen Schwadroneure und Schwerenöter kennen, Grandseigneurs und Herren vom Typ »elegante Begleitdogge«: schlichtes Gemüt, aber ungemein dekorativ…

Fanny zu Reventlow veröffentlichte häufig unter dem Vornamen Franziska. Ihre Werke bestechen durch einen satirischen, aber stets kunstvollen Plauderstil voller Grazie, hinter dem stets ihr freier Geist hervorblitzt: heute nicht minder köstlich zu lesen als vor 100 Jahren!

Geschrieben von Petra Anne-Marie Kollmannsberger


Bild: Fanny zu Reventlow © wikimedia commons

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