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Ich lese sie gern nörgeln

Die FahrtWas ich an Sibylle Berg mag: Sie kann gut schreiben, ihre Charaktere wirken immer ein bisschen verloren, sie nennt auch unangenehme Dinge beim Namen und sie kann unnachahmlich schimpfen, zetern, motzen, nörgeln und zynisch sein.

Ich weiß, das klingt jetzt alles ganz schön negativ, aber Frau Berg macht das auf eine sehr nonchalante Art. Sie macht es so, dass man, wenn man ein Bergsches Werk gelesen hat, nicht mehr selbst schimpfen und nörgeln muss, weil das ja gerade auf unübertroffene und sehr effiziente Weise bereits erledigt wurde. Gern lässt sie Menschen in der Nähe und in der Ferne das Glück suchen. Klar, dass das meist schief geht. Kommt ja immer irgendwas dazwischen. Ein Tsunami oder die lästigen Mitmenschen.

In „Die Fahrt“ begeben sich die unbelehrbaren Glückssucher an die exotischsten Orte, um Sinn zu finden. Andere bleiben zu Hause und hoffen dort darauf, dass endlich etwas passiert. Wie wahrscheinlich alle Berg-Leser glaube auch ich daran, dass sich hinter der vordergründigen Misanthropie, hinter all dem Ekel und der brillant formulierten Wut so etwas wie zarte Menschenfreundlichkeit verbirgt. Ihre Figuren sind immer scharf konturiert und werden in ihrem Scheitern ausgeleuchtet. Gerade deshalb kommt oft Sympathie auf mit diesen Menschen, die alles daran setzen, ihrem belanglosen Leben ein paar beseelte Momente abzutrotzen. Das alles ist in der eleganten Unverblümtheit geschrieben, wie ich sie an Sibylle Berg schätze. Mein Tipp: Unbedingt lesen!

(Geschrieben von Matthias Stöbener)

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