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Märchenhaft-magisches Meisterwerk

TimeGypsies_SC_05_kl.jpg"Time of the Gypsies /Zeit der Zigeuner" – das klingt nach überschäumender Lebensfreude und Freiheit. Tatsächlich wird in dem Film des Regisseurs Emir Kusturica viel gelacht, getanzt und geliebt; aber auch getäuscht, betrogen, bestochen, geweint und gestorben – und das sind die Abgründe des vielfach preisgekrönten Meisterwerkes.

Irgendwo im ehemaligen Jugoslawien, in einem abgelegenen Landstrich, lebt eine Gruppe Roma. Sie haben ihr Nomadentum längst aufgegeben und sind sesshaft geworden – in einem slumähnlichen Dorf in ärmlichen Hütten. Der Waise Perhan (Davor Dujmovic), an der Schwelle zum Erwachsenenalter, hat die übersinnlichen Fähigkeiten seiner Großmutter Chaditza (Ljubica Adzovic), bei der er lebt, geerbt. Doch statt wie sie die Gabe für Sinnvolles wie die Krankenheilung zu verwenden, lässt Perhan Besteck die Wände entlang kriechen.
Er ist ein bisschen faul und liederlich, hat aber ein gutes Herz und kümmert sich hingebungsvoll um seine kleine Schwester Danira (Elvira Sali) mit dem verkrüppelten Bein, seine Freundin Azra (Sinolicka Trpkova) und seinen Truthahn. Die Liebe seiner Großmutter gibt ihm Geborgenheit, macht ihn aber unselbständig. So ist es nicht verwunderlich, dass Perhan auf den Aufschneider Ahmed (Bora Todorovic) hereinfällt, der eines Tages im Dorf auftaucht: vermeintlich zu Wohlstand gekommen, mit einem großen Wagen, protzigem Schmuck, einer eleganten Frau. Perhan folgt Ahmed ins Land der Träume, nach Italien, wo dieser mit seinen Brüdern von Zuhälterei lebt. Ahmed, der Bandenchef, ist für Perhan Vorbild und Vaterersatz. Der Junge lernt stehlen, betteln, betrügen, um sich und denen, die er liebt, eine goldene Zukunft zu ermöglichen. Zu spät merkt Perhan, dass er selbst der Bestohlene und Betrogene ist. Er fällt in abgrundtiefe Verzweiflung und sinnt auf Rache, die schließlich im Showdown endet.

TimeGypsies_Cover_3D_kl.jpgEmir Kusturicas bildgewaltiges Drama ist eine tragisch-komische Reise voller Wunder und Grausamkeit in eine fremde Welt, in der die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen, eine Liebeserklärung an die Lebenskultur der Roma, magisch, märchenhaft und mörderisch – ein delirierendes Meisterwerk, vorangepeitscht durch die mitreißende Musik von Goran Bregovic und den ewig heulenden Wind, der über die Szenen fegt. Es ist eine Geschichte vom Erwachsenwerden und Dazugehören, von der Einsamkeit und Andersartigkeit, von Liebe, Familie und Heimat. Auf eine seltsame Art wirkt der Film wie aus der Zeit gefallen. Zur Entstehungszeit 1988/89 begann der Untergang Jugoslawiens – der zusammenbrechende Vielvölkerstaat schimmert, obwohl nicht direkt angesprochen, durch die Handlung mit ihrer seltsam surrealen Endzeitstimmung. „Time of the Gypsies“ ist nicht nur ein Film über die Roma – es ist ein Film mit ihnen, sie sind ein Teil davon. Kusturica lebte fast ein Jahr lang im Roma-Dorf Schutka, einem Ghetto in der Nähe von Skopje im heutigen Mazedonien. Dort drehte er auch seinen „Zigeunerfilm“ mit vielen Laiendarstellern.

Die DVD „Time of the Gypsies /Zeit der Zigeuner“ ist ab
02. Juli im Handel erhältlich.

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