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Wer’s glaubt…

Man kennt das: Kind stolpert, stürzt, lautes Heulen folgt, Tränen kullern zum Steinerweichen. Was tun? Pusten, na klar! Pusten nimmt den halben Schmerz. Das ist sogar wissenschaftlich erwiesen. Zuwendung, Aufmerksamkeit und Ablenkung sorgen dafür, dass der Schmerz bald vergessen ist. Der durch das Pusten entstehende Gegenreiz verschafft zusätzlich Linderung.

Ein ähnliches Phänomen tritt bei Placebos auf: Scheinmedikamente ohne medizinisch wirksamen Inhalt. Der Arzt Henry Beecher war einer der ersten, der sie ernsthaft eingesetzt hat. Aus der Not heraus, weil kein Morphium mehr da war, hat er im Zweiten Weltkrieg verletzten Soldaten schlichte Kochsalzlösung verabreicht – und hatte damit Erfolg. Fortan widmete Beecher sich der Erforschung des Placebo-Effekts.

Doch es vergingen noch viele Jahre, bis die Wirksamkeit von Placebos auch wissenschaftlich Anerkennung fand. Heute herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass mehrere Komponenten zusammenspielen. Zum einen der Glaube an die Heilung: Man geht einfach davon aus, dass die Tabletten, die man schluckt, auch etwas bewirken. Diese positive Erwartungshaltung wiederum sorgt dafür, dass im Gehirn verstärkt Glücksbotenstoffe wie Endorphin und Dopamin ausgeschüttet werden. Und dann ist da noch der Arzt, der auch nicht ganz unwichtig ist. Er hört – im Idealfall – zu, nimmt die Beschwerden ernst, hat Rat und Rezept. Man vertraut ihm, er wird schon wissen, was zu tun ist. So bringt quasi schon der Arztbesuch an sich Heilung. Unser Gehirn lernt: Arzt = Besserung.

Allerdings kann sich die ärztliche Behandlung auch als Nocebo-Effekt erweisen – wenn der Arzt nämlich eher in die ruppige Rubrik fällt, den Patienten schnell abfertigen will und nicht ernst nimmt. Der Nocebo-Effekt ist die Kehrseite des Placebo-Effekts: Wo der Glaube an Heilung helfen kann, kann der Glaube an die Krankheit diese noch verschlechtern. Wenn Ärzte »Unheil verkünden«, also von Komplikationen oder schlechten Heilungsaussichten sprechen, oder wenn der Patient zu viele Röntgen-Aufnahmen seines »vermurksten« Rückens gesehen hat, kann dies deutlich stärkere Schmerzen zur Folge haben.

Wenn Sie also das nächste Mal mit einem vom Stuhl gefallenen Kind konfrontiert sind, pusten Sie, nehmen Sie seine Schmerzen ernst, trösten Sie es und sagen Sie ihm ruhig: »Das wird schon wieder.«

Autorin: Kathrin Kirschbaum
Bildquelle: knipseline / pixelio.de

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