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Ansichten einer Putzfrau

Justyna putzt – und das tut sie gerne. Sie ist weit davon entfernt, sich zu schämen, weil sie „nur“ eine Putzfrau ist. Vielmehr bezeichnet sie sich als Unternehmerin. Und ihr „Ein-Frau-Betrieb“ läuft bestens. Justyna Polanska, gebürtige Polin und seit gut 10 Jahren in Deutschland, macht unseren Dreck weg – nicht unbedingt aus Leidenschaft, nein, weil es sich eben so ergab, damals, als sie nach Deutschland kam. Sie wollte sich ihre Ausbildung zur Visagistin durchs Reinemachen finanzieren – und blieb hängen. Seitdem ist der Putzjob ihr Broterwerb und sie kommt damit mehr als nur über die Runden.

Nun hat sie ausgepackt und führt uns unsere geheimsten Geheimnisse vor Augen – was man halt so entdeckt, wenn man tagein, tagaus die Wohnungen ganz unterschiedlicher Menschen sauber macht. Da ist z.B. „Gargamel“, der in einer Art Spukschloss wohnt, einem riesigen, feuchten Kasten mit einst kostbaren, nun aber etwas abgehangenen Antiquitäten und Kunstwerken. Oder „Frau Kiste“, die in ihrer großzügigen Wohnetage kaum Möbel, dafür aber umso mehr Kisten hat, die sie da hinschiebt, wo sie sie gerade braucht – ein Leben aus dem Umzugskarton. Oder „Herr Doktor“, ein wohlhabender Zahnarzt, der bereits wegen eines zerbrochenen leeren Senfglases ein riesen Theater macht und es Justyna vom Lohn abziehen will.

Die Putzfrau durchschaut sie alle, ihre „sauberen“ KundInnen mit ihren „schmutzigen“ Geheimnissen. Sie weiß genau, wer den coolen Macho gibt, zu Hause aber in Bärchen-Bettwäsche schlummert. Wer ein teures Auto vor der Tür parkt, aber nicht genug im Kühlschrank hat, um satt zu werden. Wer vor der Ehefrau den liebevollen Ehemann spielt und vor der Perle die Hosen herunterlässt. Manchmal bekommt Justyna von ihrer Klientel auch kleine Aufmerksamkeiten geschenkt: eine Packung Lebkuchen vom Vorjahr, ein Notfall-Näh-Set aus dem Hotel, ein Teelicht und einen Teebeutel für einen entspannten Abend…

So oder ähnlich geht es zu „Unter deutschen Betten“. Justyna Polanska ist eine Kunstfigur, ersonnen vom deutschen Autor Holger Schlageter. Doch ihre Erlebnisse sind so real, dass man erschrocken in die Abgründe unserer Gesellschaft blickt – und dabei bleibt einem oft genug das Lachen im Halse stecken. Die fiktive Justyna hält uns einen Spiegel vor, blank geputzt und glänzend. Und darin können wir uns nur allzu gut erkennen.

Hier geht’s lang zu dem bissigen und amüsanten Blick hinter die ach so perfekte Fassade der Deutschen:

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Autorin: Petra Anne-Marie Kollmannsberger

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