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Jokers Morgen-Grauen, Teil 2

Wenn er ins Büro kommt, liegen seine Kollegen der Jokers-Werbeabteilung oft noch im Bett. Doch in den ruhigen Stunden bis zum alltäglichen Werber-Wahnsinn bringt Kollege „Christoph Anton Lech“ nicht nur seine besten Ideen zu Computer, er kommt auch auf dumme Gedanken – und die schreibt er ebenfalls auf. Damit auch solche Texte nicht ungenutzt bleiben, haben wir den Kollegen gebeten, uns einmal die Woche seine morgendlichen Gedankengänge zur Verfügung zu stellen. Wir haben dafür im Jokers Literaturblog die Rubrik „Jokers Morgen-Grauen“ erfunden…

In der Kürze liegt nicht immer die Würze. Der Morgengruß der Woche ist daher: „Morng.“ Können Sie so nicht aussprechen? Herr W. schon. Er kommt aus Oberfranken, die reden da so.

Nachdem ich natürlich auch Werbetexte für den Online-Shop meines Arbeitgebers schreibe, bin ich mit der so genannten Suchmaschinenoptimierung, auf Englisch und abgekürzt auch „SEO“ genannt, vertraut. Ist fast eine Wissenschaft für sich, daher drücke ich’s mal einfach aus: SEO kann Dinge ans Licht des Internet bringen, die man vorher gar nicht finden wollte. Es geht darum, welche Begriffe die User bei einer Suchmaschine eingeben, wenn sie bestimmte Infos oder Produkte suchen. Auf die Frage, was er eingeben würde, wenn er Ratgeber für Senioren suchen würde, meinte Kollege R. gestern: „Demenz“. Na, der macht sich offenbar keine Illusionen über seine Zukunft.

Da fällt mir ein, ich wollte Ihnen ja die spezielle Google-Geschichte noch erzählen. Also, Nikolai Gogol landete über Umwege in den USA. Hier entschloss er sich, erneut eine Kartoffelsuchmaschinenfabrik zu gründen. Da er aber, vom früheren Erfolg in Russland geblendet, zuvor keine Marktanalyse durchgeführt hatte, wusste er nicht, dass man auf dem Herkunftskontinent der Kartoffel durch die Jahrtausende lange Erfahrung keine Probleme mit dem Kartoffelfinden hatte. Die Kartoffelsuchmaschinen wurden zu Ladenhütern. Gogol entschloss sich, das Geschäft zu erweitern: zunächst auf Suchmaschinen für andere Knollengewächse, später sollten Suchmaschinen aller Art hinzukommen. Um Kapital zu generieren, wandelte Gogol seine Firma in eine Aktiengesellschaft um. Damit die möglichen amerikanischen Investoren nicht vom ukrainisch-russischen Namen abgeschreckt würden, wurde der Name Gogol anglisiert. Und so ging am 3. Juni 1841 in New York die „Google Suchmaschinenfabrik AG“ an die Börse.

Doch die Zeit für landwirtschaftliche Suchmaschinen war einerseits abgelaufen, andererseits noch nicht gekommen. Google war am falschen Ort zur falschen Zeit. Bereits 1843 wurde die Produktion komplett eingestellt, da aber noch jede Menge Kapital vorhanden war, verlegte man sich auf Börsengeschäfte, allerdings in ganz kleinem Rahmen. Die Aktie war nicht mehr börsennotiert, Google geriet in Vergessenheit, existierte aber weiter. Gogol selbst tauchte noch einmal kurz in der gastronomischen Fachpresse auf, als er 1850 die Cookies erfand.

Im Jahr 1996 fand ein Nachfahre Gogols im Nachlass seiner Großmutter die Firmenunterlagen der „Google Suchmaschinenfabrik“ von 1841. Außerdem die Aktien. Alle Aktien. Denn die hatte noch Nikolai Gogol persönlich kurz vor seinem Tod 1852 zurückgekauft. Dem Nachfahren, einem begeisterten Internet-Nutzer, war die zunehmende Unübersichtlichkeit des World Wide Web ein Dorn im Auge. Durch Gogols Aufzeichnungen kam er auf die Idee, eine neue, auf die Anforderungen der Zeit ausgerichtete Suchmaschine zu konstruieren – nämlich zum Auffinden von Internetseiten. Kapital war vorhanden: Die Aktiengesellschaften, in die die „Google Suchmaschinenfabrik AG“ 1843 ihr Restkapital anlegte, waren noch existent oder hatten Rechtsnachfolger. Aus den 274 Dollar waren in 153 Jahren satte 65 Milliarden Dollar geworden. Die besten Programmierer wurden angeheuert, ein repräsentativer Firmensitz geschaffen. Am 27. September 1998 ging die Internet-Suchmaschine, die jetzt nur noch kurz „Google“ hieß, online und schrieb eine der ganz großen Erfolgsgeschichten des Internet-Zeitalters.

Was der Nachfahre Nikolai Gogols 1996 im Nachlass seiner Großmutter übrigens ebenfalls fand: Tausende handbeschriebene Seiten mit literarischen Ergüssen des Vorfahren, dessen Hobby das Schreiben war. Die amateurhaften, dadurch aber schon fast anrührenden Schreibversuche wurden in einer kleinen Auflage für Familie und Freunde bzw. als skurriles Werbegeschenk für Geschäftspartner aufgelegt: „Die Nase“, „Der Mantel“, „Die Heirat“ und „Der Newski Prospekt“, letzteres ein Nachdruck der ersten Werbebroschüre für „Gogol Kartoffelsuchmaschinen“ von 1836…

Das war also die Google-Story. Die Kollegen haben mich schon letzte Woche deswegen so komisch angeschaut. Ich weiß gar nicht, warum. Waren die Texte jetzt zu lang oder zu dumm? (Ich glaube, ich hatte schon erwähnt, dass ich nachtragend bin…)

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