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Vom Märchenprinzen wachgeküsst…

"Wer hätte das gedacht?", entfuhr es mir gestern Abend, als ich mich mit Beate zum gemütlichen Kneipenbummel traf. Einmal im Vierteljahr ziehe ich mit meiner besten Freundin um die Häuser, und wir bringen uns gegenseitig auf den neuesten Stand der Gemütslage des anderen. Dabei ist mir eine Veränderung an Beate aufgefallen, wie ich sie nie für möglich gehalten hätte: Beate, Anfang 30, ledig, selbständige und vor allem erfolgreiche Geschäftsfrau war noch vor zwei Jahren glühender "Sex and the City"-Fan und verschlang jeden Roman, der nur ansatzweise nach tougher, unabhängiger Powerfrau mit abenteuerlichen Männergeschichten roch. Doch gestern erschien sie mir so vollkommen anders.

"Ich habe meinen Märchenprinz gefunden", rückte sie endlich nach dem zweiten Glas Wein heraus. "Seit langer Zeit bin ich wieder verliebt. Wir wollen nächsten Monat zusammenziehen." Auch die Hausarbeit sieht sie plötzlich im ganz neuen Glanz: "Ich mach jetzt an der VHS einen Kochkurs. Das musste schon lange mal sein. Liebe geht ja schließlich auch durch den Magen." Donnerwetter! Ein bis dato überzeugter Single ist zum verkuschelten Hausmenschen mutiert! Die Entwicklung schlägt sich, was mich besonders interessiert, auch in Beates Bücherwahl nieder, denn jetzt kommt ihre poetische Ader zur Geltung, sie ist "quasi wach geküsst vom Märchenprinzen". Sie erzählte mir, dass sie nicht nur die gesammelten Gedichte von Joseph von Eichendorff liest, sondern sich neuerdings auch sämtlichen Märchen von Hans Christian Andersen angenommen hat. Nur so könne sie die passenden Worte finden für ihr gerade so glückliches Seelenleben.

Nun denn! Ich freue mich für sie. Denn so froh habe ich sie schon lange nicht mehr gesehen. Und so höre ich schon die Nachtigall – und zwar trapsen. Zumindest, was ihr zukünftiges Familienleben angeht…

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